Ein Kommentar von Susan Bonath.
Wachsende Monopole schlucken kleinere Unternehmen und die letzten öffentlichen Sektoren. Dennoch ächzen ihre Eigner unter sinkenden Profiten. Die globale Kapitalverwertungs- und -überproduktionskrise spitzt sich zu. Aufrüstung, Zerstörung und damit einhergehende Eroberung neuer Märkte scheint die letzte Option der mächtigsten Fraktionen des Großkapitals zu sein, um die Macht in ihren Händen zu sichern. Unterstützt vom wankenden US-Imperium und den Regierungen seiner europäischen Verbündeten, haben sie Russland zum Zielobjekt ihrer Begierde erkoren. Der Wirtschaftskrieg gegen das Riesenreich tobt längst. Jede weitere Provokation könnte einen Weltkrieg auslösen.
Das gilt es zu verhindern. Selbstverständlich. Frieden mit Russland ist ein Gebot der Stunde. Doch man mag sich wundern: Stramm rechte Parteien schwimmen ebenfalls auf dieser Welle. Also Parteien, die keineswegs die kapitalistischen Ausbeutungsverhältnisse inklusive der barbarischen Ausplünderung der »dritten Welt« beenden wollen. Parteien, die sich für Aufrüstung, Polizeistaat und die NATO – unter europäischer Herrschaft – aussprechen, die jeglichen Humanismus vermissen lassen, also etwa das Retten von Ertrinkenden verbieten wollen. Die, wie die neoliberale Einheitsfront, den eigenen Wohlstand weiterhin auf Kosten der Mehrheit der Menschen zu sichern gedenken und penetrant Hass auf Ausländer schüren.
Schon häufig berichteten Medien darüber, dass Gelder aus Russland an ultrarechte Parteien in Europa flössen, beispielsweise an den Front National, aber auch die AfD. Nicht zu vermuten ist, dass an all den Berichten gar nichts dran ist. Dafür sprechen nicht nur die zahlreichen Reisen nach Russland unter anderem von deutschen Rechtsaußenpolitikern oder deren Kampagnen für »Frieden« mit dem Riesenreich. Dafür spricht auch, dass die AfD außerordentlich viele Anwälte in ihren Reihen vereint, die bekanntermaßen sehr allergisch auf jedes falsch zitierte Wort reagieren und gerne mit teuren Unterlassungsklagen drohen. Auch Journalisten wollen nicht permanent die Justiz am Hals haben.
Um zu verstehen, was passiert, ist es nützlich, sich in die Rolle der Kapitalisten zu begeben. Die Gründungsväter der AfD stammten vor allem aus Kreisen eher mittelständischer, national oder gen Osten orientierter Kapitalverbände. Schon länger waren diese unzufrieden mit Merkels Politik. Denn die begünstigte – und tut es immer noch – vor allem die Global Player mit Steuergeschenken und Subventionen. Die Intention dahinter ist plausibel: Die Monopolisierung schreitet voran, Arbeitsplätze werden immer stärker von diesen Megakonzernen abhängen – und damit auch das Steueraufkommen für den Staatsapparat.
Der Euro begünstigt diese sogenannte Neoliberalisierung ebenso wie diverse Freihandelsabkommen. Ein Teil des immer noch recht starken nationalen Kapitals zittert. Nicht zu unrecht: Für diese Unternehmer wird es zunehmend schwerer, sich gegen die alles schluckenden Mega-Finanzmogule zu wehren. Langfristig werden sie diesem spätkapitalistischen Konkurrenzkampf unterliegen. Kurzum: Sie brauchen einen starken, notfalls repressiven oder gar faschistischen Nationalstaat, um ihre eigene Macht zu sichern.
Erfolgversprechend ist ein solches Ansinnen nur mit dem Rückhalt des Kleinbürgertums und der Arbeiteraristokratie. Entsprechend schüren die AfD wie auch der Front National und andere ultrarechte europäische Parteien Nationalismus und Rassismus. Mehr noch: Die Hauptprotagonisten wissen eines sehr genau: Sich vom ökonomischen und militärischen Würgegriff des US-Imperiums zu lösen, ist nur mit der Hilfe Russlands und ohne Krieg in Europa denkbar.
Nun sind auch russische Kapitaleigner auf steter Suche nach neuen Märkten. Und sie leiden unter den Sanktionen. Dabei vertritt Russland, wie jeder kapitalistische Staat, selbstverständlich die Interessen seiner Herrschenden. Es ist folgerichtig, wenn dieser Staat nun Kräfte in Europa unterstützt, die am ehesten versprechen, dem westlich ausgerichteten Monopolkapital eine Alternative entgegenzusetzen. Man muss Russland dabei gar nicht unterstellen, Faschismus fördern zu wollen. Sein Hauptinteresse im globalen Spiel der Kräfte ist es, Krieg abzuwenden und seine Wirtschaft anzukurbeln.
Dieses Szenario bringt linke Kräfte – ja, die gesamte Friedensbewegung – in die Bredouille. Kann man für Putin sein, wenn man nicht Rechtsaußenkräften auf den Leim gehen will? Hilflos ahmen so manche Protagonisten die NATO-Parteien nach und erklären Putin zum Übel, zum Unsympathen schlechthin. Der Mensch neigt dazu, bauch-gefühlter Erregung nachzugeben. Doch darum kann es nicht gehen. Fakt ist: Auch Russlands Staatschef vertritt nur einen kapitalistischen Staat, einen Player der Herrschenden. Freilich verhält er sich besonnen. Mit einem anderen an der Macht wäre das Spiel möglicherweise schon eskaliert.
Gefragt ist differenziertes Denken. Denn das Thema Frieden mit Russland ist immanent. Die Lösung kann nicht sein, sich auf die Seite der NATO-Fraktionen zu stellen. Gemeinsam mit nationalistischen und faschistischen Parteien kann es ebenso nicht gehen. Denn deren Ziele und Absichten eben letztlich nicht human. Aus der Nummer kommen Humanisten nur heraus, wenn sie ihren Friedenswillen bekunden und zugleich ihre Ziele darlegen: Eine Gesellschaft, in der alle Menschen gleichwertig sind und gleiche Lebens- und Teilhabechancen am gesamtgesellschaftlichen Reichtum bekommen. Und letzterer ist enorm.
Denn eins steht fest: »Frieden« ausschließlich auf deutschem und europäischem Boden, der teuer erkauft wird mit Massenelend und Kriegen in den Peripheriestaaten, ist kein Frieden. Repressive Überwachungs- und Polizeistaaten sind kein Frieden. Das Versprechen an hiesige Konzerne für ein Weiter so mit dem ökonomischen Raubbau in aller Herren Länder ist kein Frieden. Immerhin ist genau dies, durchgesetzt von der Politik, auch verantwortlich für den grassierenden Sozialabbau in Deutschland und der gesamten EU.
Jene Kräfte, die Teile der unterdrückten Schichten selektieren und notfalls sterben lassen wollen, die deutsche Konzerne schützen möchten, statt den von diesen ausgebeuteten Menschen zu helfen, haben nicht mehr mit Frieden zu tun, als die herrschenden NATO-Parteien. Ein selektiver Frieden für einige wenige auf Kosten vieler ist alles andere als human. Hinter rechten Friedenswünschen stehen knallharte Kapitalinteressen.
Mit diesen Kräften im Hintergrund verkommen auch Fahrten nach Moskau unter dem Banner einer Friedensfahne zur einzigen Farce. Das dürfen und müssen Friedensaktivisten, die es ernst meinen, deutlich machen. Denn Frieden geht nur ganz oder gar nicht. Trotzdem bleibt es die einzige Option, gegen die westlichen Kriegstreiber und für friedliche Beziehungen zu Russland zu protestieren. Allzu viele bekommen diesen Spagat leider nicht hin.
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Danke an die Autorin für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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