Tagesdosis 24.10.2019 – Sind sogenannte CO2-Klimaskeptiker therapierbar? (Podcast)

Ein Kommentar von Bernhard Loyen.

Es wird und wurde nun in jüngster Zeit fortlaufend mal mehr, mal weniger hart zum Thema Klima in all seinen Facetten debattiert. Die forcierte Diskussion dynamisierte sich in Deutschland mit dem plötzlichen Auftauchen von Greta Thunberg und der rasanten Entwicklung der Fridays For Future Bewegung.

Diverse Animositäten, unterschiedliche Meinungsbilder wurden, auch über das KenFM Portal, öffentlich ausgetragen. Die jeweiligen Kontrahenten nutzen die vermeintlich besseren wahrhaftigeren Quellen, um sie dem vermeintlich variabel naiveren, dummen, fahrlässigen Argumentationsgegner mal mehr, mal weniger höflich entgegen zu schleudern. Die dazugehörigen Foren glühten, mal mehr, mal weniger freundlich. Selten ausgewogen in der nüchternen Betrachtung, der Diskussion. Kurz zusammengefasst gibt es mittlerweile drei festgefahrene Fraktionen – Menschen die absolut wissen, dass der Klimawandel menschengemacht ist. Menschen, die die Rolle des Menschen hinsichtlich existierender Klimaveränderungen etwas entspannter sehen und natürlich die schlicht Irritierten, bzw. Desinteressierten hinsichtlich der so emotional geführten Diskussion.

Die erstgenannte Fraktion argumentiert nun gerne überspitzt, diejenigen, die den menschengemachten Klimawandel nicht erkennen wollten, seien doch schlicht krank, bzw. so blind könne der individuelle Mensch doch nicht sein. Der Volksmund spricht – doof bleibt doof, da helfen auch keine Wahrheitspillen. Also müssen Ärzte an die Ungläubigen ran.

Sie schütteln den Kopf? Was möchte der Autor ihnen mitteilen? Nun, eher unbeachtet, sehr vielen Menschen schlicht nicht bekannt, macht sich die Gilde der Landeskammer der Psychologischen Psychotherapeuten so ihre Gedanken. Wie umgehen mit den Menschen, die einfach nicht verstehen wollen, vielleicht können? Jenen Menschen, die keinerlei Verständnis für Fridays For Future, Rezo, XY for Future, Greta, Herrn Lesch, den Extinction Rebellion Enthusiasten und weiteren Aufklärern besitzen oder entwickeln. Die den Ernst der Lage vermeintlich negieren oder sogar im Extremfall schlicht leugnen.

Die Mitgliederzeitschrift dieser Standesorganisation „Psychotherapeutenjournal“ veröffentlichte in der Ausgabe 3/2019 einen Artikel mit der beeindruckenden Überschrift: „Verleumdung der Apokalypse – der Umgang mit der Klimakrise aus der Perspektive der Existenziellen Psychotherapie“ (1). Sie schütteln schon wieder den Kopf? Es kommt noch besser.

Auf insgesamt siebeneinhalb Seiten darf der Diplom-Psychologe Fabian Chmielewski (ein Mitglied der psychologists4future) seinen Fachkollegen seine Gedankenwelt, seine Analyse der Problematik darlegen. Das Editorial weißt den pot. Fachleser zumindest hin, es handele sich um einen „streitbaren Text gewiss“, der aber „gerade in seiner Zuspitzung und Parteinahme ein geeigneter Anstoß für die nötige Debatte um die gesellschaftspolitische Verantwortung unserer Berufsgruppe (…)“ anscheinend nötig sei.

Da diese Publikation nur den Pflichtabonnenten genannter Sparte bekannt ist, durfte Herr Chmielewski Ende September in der Frankfurter Rundschau, Rubrik Psychologie, seine Sicht dieser bedenklichen Symptomatik bei Teilen der Gesellschaft, den dortigen Lesern darlegen.

Zitat: Wir brauchen alle eine Therapie. Warum der Mensch die globale Bedrohung lieber ignoriert, aber das Raubtier vor der Nase fürchtet.Für psychologieunkundige erläutert also der Fachmann in diesem Artikel die Sachlage, Zitat: Wie passt das dazu, dass so viele Menschen seit über drei Jahrzehnten vor den bedrohlichen Auswirkungen eines menschengemachten Klimawandels die Augen verschließen? Die Erklärung ist einfach: Unser Gehirn und eine so ungewöhnliche Bedrohung wie die Klimakrise sind schlichtweg nicht kompatibel. Denn unser Bedrohungssystem ist auf konkrete, sichtbare Gefahren geeicht – auf das vor uns auftauchende Raubtier statt auf sich langsam entwickelnde Katastrophenszenarien, die sich zunächst vor allem über Statistiken ausdrücken. Es reagiert daher eher impulsiv auf kurzfristige Gefährdungen, als sich rational mit zukünftigen Problemen zu beschäftigen.

Gibt es Hoffnung? Natürlich, Zitat: Ja. Die langsameren, aber komplexeren Anteile unseres Gehirns können die schnelleren, archaischen kontrollieren. Nichts anderes passiert, wenn wir uns ausgewogen über bestimmte Themen informieren, uns beraten lassen oder in einer Psychotherapie befinden. Und was unseren Umgang mit der Klimakrise angeht, brauchen wir (fast) alle eine Sitzung (2).

Siehe da. Zur Thematik der ausgewogenen Information wird bedauerlicherweise im Artikel nicht eingegangen. Wenden wir uns daher dem Beitrag von Herrn Chmielewski in dem Fachmagazin zu. Zuerst die Erläuterung der Problematik, diesmal auf akademischer Augenhöhe mit seinen Branchenkollegen, Zitat aus dem Artikel: Die Verleugnung der Apokalypse – der Umgang mit der Klimakrise aus der Perspektive der Existenziellen Psychotherapie: Psychotherapeuten scheuen sich naturgemäß und zurecht davor, Menschen eine bestimmte Sichtweise aufzudrängen. Sie versuchen, ihre eigenen Werte aus der Therapie möglichst herauszuhalten, um Patienten selbstbestimmte Entscheidungen zu ermöglichen. Ausnahmen sind allerdings dann zu machen, wenn es um akute Eigen- oder Fremdgefährdung geht. Wir stellen in diesen Fällen den Wert der physischen Unversehrtheit von Menschen über den Wert der therapeutischen Abstinenz.

Was haben diese Zeilen nun mit der jüngsten Klimadiskussion zu tun? Die Erläuterung, Zitat:

Haben wir es bei der Klimakrise nicht ebenfalls mit einer – wenn man so will – Eigen- und Fremdgefährdung zu tun, diesmal sogar von globaler Tragweite? Wenn also offenkundig ein gesamtgesellschaftliches Gesundheitsproblem besteht – sind wir dann nicht verpflichtet, mit unserem psychologischen Rüstzeug im Kampf gegen dieses zu helfen? Sollten wir hier nicht versuchen, dem therapeutisch zu begegnen – und nicht mit „gleichschwebender Aufmerksamkeit“ lediglich bei einer bloßen Diagnose stehen zu bleiben?

Etwas später wird den Kollegen noch intensiver der Ernst der Lage, also die Öffnung der Argumentation zukünftiger Patientenscharen und winkenden Honoraren professionell vermittelt, Zitat: Die Klimakrise lässt sich selbstverständlich nicht (nur) auf individueller Ebene erklären, geschweige denn: lösen. Wir müssen als Psychotherapeuten hier unsere gewohnte „default“Einstellung, die das Wohl des Einzelnen, der vor uns sitzt, im Blick hat, auch einmal verlassen und eine „kosmische Perspektive“ einnehmen.

Kosmisch wirken erstmal für nüchtern Betrachtende die potentiellen Krankenscheine, also das klingeln auf den Praxiskonten. Das Jahr 2018 listet für Deutschland 26.693 psychologische Psychotherapeutengruppen auf (3). Vorsichtig formuliert, da könnte sich ein beeindruckendes Marktsegment entwickeln. Bezogen auf Klimaveränderungen auch noch in den nächsten 20, 200, 2000 Jahren, ein lukratives blühendes Geschäftsmodell. Wie tastet sich der besorgte Psychotherapeut nun an seine kranken Mitbürger heran. Freiwillig werden sie nicht kommen. Zuerst müssen sie erkannt werden, Zitat:

Da wir es bei der Auseinandersetzung mit dem menschengemachten Klimawandel mit einer (noch) änderbaren Situation zu tun haben, ist hier ein aktivistisches Vorgehen in Richtung dieses Ziels funktional. Wir können unser Überleben (und das unserer Urenkel) noch sichern durch zeitnahes kämpferisches Wirken im Sinne des Fight-Systems. Die Gruppe der demonstrierenden Jugendlichen wäre vor diesem Hintergrund als existenziell gesund zu bezeichnen. Schematherapeutisch gesprochen sind also aktuell die Menschen, die im „Gesunder Erwachsener“-Modus (…) sind, eben nicht die Erwachsenen – sondern die Jugendlichen.

Jetzt heißt es also „die Alten“ zu überzeugen, dass sie krank sind. Das sie Hilfe benötigen, Zitat: Letztlich müssen wir bei Menschen im Vermeidungs-Modus ein Schuldempfinden (im Sinne existenzieller Verantwortung) aufbauen – auch dafür, nichts über den Klimawandel und seine Verursachung zu wissen…Diese Schuld kann zu einer Veränderungsmotivation führen. Scham hingegen verleitet eher dazu, dass wir uns mit uns selbst beschäftigen, weniger empathisch für andere werden…Es hilft also mehr, die Verantwortung zu betonen und Verhalten zu kritisieren, als Menschen dazu zu bringen, sich für ihre Versäumnisse zu verurteilen und sich dafür zu schämen, was sie angerichtet haben. Harrison und Mallett (2013) erklären die Beziehung zwischen „eco-guilt“, Todesbewusstheit, umweltbezogenen Werten und Verhalten von Personen. Sie beschreiben, dass Todesbewusstheit Menschen in Einklang mit sozialen Werten handeln lässt und sie sich schuldig fühlen lässt, wenn sie sich als diskrepant zu diesen erleben.

Der komplette Link zum Artikel ist im Originalbeitrag auf der Homepage von KenFM hinterlegt. Ich überlasse es ihrer Lebenserfahrung, ihrer Biografie diese Parallelgedankenwelt zu deuten und entsprechend zuzuordnen. Für mich stellt sich die Frage, wo soll diese Spaltungsdiskussion noch hinführen, wenn auf dieser Ebene eher unerkannt schon aktiv agiert wird? Sie negieren die Spaltungstendenzen, dann möchte ich ihnen noch diesen Absatz zitieren. Zuhören und sich vor Augen führen, welche Organisationen, Gruppierungen, Machthebel hier wirken, Zitat:

Bei den vermeidenden Menschen müsste man zugleich durch emotionsaktivierende Kampagnen die Vermeidung erschweren. Hier könnte ein „Mehr Panik“ also tatsächlich sinnvoll sein und aufrütteln. Um einen ausschließlich intellektualisierenden Umgang zu verhindern, ist es wichtig, persönliche Einzelschicksale und an Emotionen appellierende Methoden zu wählen…Es besteht ansonsten die Gefahr, dass Menschen, die die Strategie des Vermeidens aufgeben, von Angst überflutet werden und vom Vermeiden zum Erdulden wechseln. Nur indem große Furcht plus hohe Wirksamkeitserwartungen gleichermaßen vermittelt werden, werden Menschen handlungsfähig…Ein zweites Annäherungsziel kann die in Aussicht gestellte Zugehörigkeit sein.

Wer arbeitet hier Hand in Hand? Mehr Panik, am Beispiel Greta? Emotionsaktivierende Kampagnen, am Beispiel Greta, Rezo und FFF? Gruppenzugehörigkeit, am Beispiel Fridays For Future und der Soft-Vereinigung Extinction Rebellion? Woran denken sie bei diesen Begriffen? Der Artikel von Diplom-Psychologe Fabian Chmielewski, einem Mitglied der psychologists4future, findet sich aktuell. Warum? Sind subtile Ängste der Bevölkerung in den letzten dreißig Jahren ähnlich fürsorglich beobachtet worden? Angst vor Atomwaffen. US-Kriege, die jederzeit sich zum Weltkrieg ausweiten können. Flüchtlingswellen. Regionale wirtschaftliche Zusammenbrüche. Parallelgesellschaften. Menschenverachtende Bundespolitik. Werden diese Ängste genauso wahr und ernst genommen?

Das Resümee, die Zielrichtung im Artikel zumindest widersprüchlich, Zitat: Was können wir also konkret tun? Hier einige, sicherlich nicht erschöpfende Vorschläge: Die Bundespsychotherapeutenkammer sollte ein Statement veröffentlichen, aus dem klar wird, dass sich die weit überwiegende Mehrheit der Psychotherapeuten dem wissenschaftlichen Konsens in Bezug auf den menschengemachten Klimawandel anschließt und damit auch den Vorschlägen der Klimaforscher.

Anders formuliert, auch hier ist offensichtlich innerhalb der Berufsgilde eine konträre Meinung unerwünscht. Zitat: Wir sollten als Psychotherapeuten mit anderen Berufsgruppen, die sich aktuell für den Klimaschutz engagieren, zusammenarbeiten…Unsere spezifische Expertise als Beziehungs- und Kommunikationsexperten könnte hier hilfreich sein.

Nun der Widerspruch, Zitat: Ein thematisch „aufsuchendes“ Verhalten im Sinne einer Missionierung von Patienten ist natürlich im Sinne des Abstinenzgebots zu unterlassen. Den Patienten nicht politisch zu manipulieren, heißt aber nicht, dass wir keine eigene Haltung zu diesem Thema haben dürfen oder sollten. Wird so therapeutische Neutralität kommuniziert, bzw. aufgehoben?

Zwei Gedanken früherer Zeiten: Bereits 1951 schrieb ein Lord Bertrand Russell in seiner Schrift The Impact of Science on Society (dt.: Wissenschaft wandelt das Leben):

„Politisch wird wahrscheinlich die Massenpsychologie zur wichtigsten Disziplin werden… Das Aufkommen der modernen Propagandamethoden hat ihre Bedeutung wesentlich gesteigert… Es steht zu hoffen, daß eines Tages jeder jeden zu allem überreden kann, wenn er seinen Patienten nur jung genug in die Hand bekommt und vom Staat mit Geld und dem erforderlichen Apparat versehen wird.“

Dem kann man nur den deutsche Aphoristiker Werner Mitsch entgegen stellen, Zitat: Die Weltverbesserer. Sie reißen alte Zäune ein, um Platz für neue Mauern zu schaffen.

Noch einmal, dieses Land, unsere Gesellschaft sollte die mentale und mitmenschliche Souveränität besitzen, konträre Meinungen bei gewissen Themengebieten zu ertragen, auch entsprechend zu moderieren. Es sollte immer noch gelten – nicht über jedes Stöckchen springen, das einem hingehalten wird. Es sollte zudem doch bitte jedem mündigen Bürger schlussendlich überlassen bleiben, wie er gedenkt sich zu dieser Thematik zu äußern, sich zu positionieren. Es sollte sich weiterhin in diesem Land keinerlei Stigmatisierung entwickeln, hinsichtlich eines vermeintlich therapiebedürftigen “Klimaketzertums”. Dienen überspitzt die Besetzungen prominenter Plätze und Kreuzungen durch Extinction Rebellion als Testphase für zukünftige öffentliche Vorführungen bis Geißelungen von Unbelehrbaren?

Schwachsinn, Utopie? Surreal befinde ich solche Artikel, wie „Verleumdung der Apokalypse – der Umgang mit der Klimakrise aus der Perspektive der Existenziellen Psychotherapie“. Mehr als bedenklich, als sehr unangenehmes persönliches Gefühl, befinde ich Zeiten, in denen freies Denken in den Tatbestand der Therapierbarkeit zu kippen droht.

Noch einmal Werner Mitsch: Gibt es einen Unterschied zwischen Theorie und Praxis? Es gibt ihn. In der Tat.

Quellen:

  1. https://www.psychotherapeutenjournal.de/blaetterkatalog/PTJ-3-2019/23/index.html#zoom=z
  2. https://www.fr.de/politik/brauchen-alle-eine-therapie-13018409.html
  3. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/430234/umfrage/anzahl-der-psychotherapeuten-in-deutschland-nach-bundesland/
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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung.

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Bildhinweis: ZoranOrcik/ shutterstock

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