Ein Kommentar von Ernst Wolff.
Zwei voneinander unabhängige Ereignisse haben die Wahrscheinlichkeit eines Irankrieges in dieser Woche erhöht. Zum einen die Aussagen von Donald Trumps ehemaligem Anwalt Cohen, zum anderen die Kündigung des Vertrages zur Erschließung des South-Pars-Gasfeldes durch den französischen Energiekonzern Total. Hier die Hintergründe:
Michael Cohen, zwölf Jahre lang Trumps Anwalt und einer seiner engsten Vertrauten, steht zurzeit in New York vor Gericht. Ihm werden diverse Vergehen vorgeworfen, darunter Steuerhinterziehung, Falschaussage und illegale Wahlkampffinanzierung. Um den eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen, hat Cohen seinen ehemaligen Mandanten Trump jetzt schwer belastet und angekündigt, der Justiz in Kürze weitere „enthüllende Informationen“ gegen ihn zu liefern.
Für den US-Präsidenten, der seit Monaten im Visier des Sonderermittlers Mueller und unter dem Beschuss gefeuerter Ex-Mitarbeiter steht, wird die Luft zunehmend dünner. Sollte Cohen tatsächlich Informationen zur Manipulation der Wahl von 2016 besitzen und Trumps Beteiligung daran nachweisen können, könnte Donald Trump ein Amtsenthebungsverfahren drohen, das nicht nur seine Präsidentschaft beenden, sondern auch seinen privaten Geschäften schweren Schaden zufügen würde.
Es ist kaum damit zu rechnen, dass Trump einen solchen Schlag ohne Gegenwehr hinnehmen würde. Eine Möglichkeit, von den eigenen Verfehlungen abzulenken oder zumindest Zeit zu gewinnen, bestünde darin, außenpolitische Konflikte so weit zu verschärfen, dass sie alle anderen Meldungen übertönen. Hier könnte Trumps erklärter Intimfeind Iran ins Spiel kommen, gegen den er erst kürzlich Sanktionen verhängt und zu dessen großer Sorge er mit Mike Pompeo und John Bolton zwei Kriegsbefürworter ins Kabinett berufen hat. Unterstützt würde Trump mit Sicherheit von Teilen des mächtigen militärisch-industriellen Komplexes, insbesondere der Energieindustrie, und zahlreichen Großinvestoren der Wall Street. Außerdem stünden mit Saudi-Arabien und Israel zwei Verbündete bereit, die schon seit Längerem nur auf ein Signal aus den USA warten.
Bei dem anderen Ereignis, das die Wahrscheinlichkeit eines Irankrieges erhöht, handelt es sich um die Kündigung des Vertrages, den der französische Energiekonzern Total und die Regierung Irans im Juli 2017 über die Entwicklung des Erdgasfeldes South Pars abgeschlossen hatten. Total ist in dieser Woche wegen der von Präsident Trump verhängten Sanktionen aus dem Deal ausgestiegen und wurde unmittelbar darauf durch den chinesischen Staatskonzern China National Petroleum Corporation (CNPC) ersetzt, der das Projekt nun in Eigenregie weiter verfolgen wird.
Für die US-Energiewirtschaft ist diese Vertragsübernahme durch CNPC ein schwerer Schlag. Bei dem South Pars Gasfeld handelt es sich nämlich um das weltweit größte seiner Art. Es könnte Chinas Bedarf an Erdgas bei weiterer Entwicklung vollständig decken und gleichzeitig den Vorsprung der USA, die aufgrund des Fracking-Booms im Jahr 2017 zum größten Erdgasproduzenten der Welt (vor Russland und Iran) aufgestiegen sind, zunichte machen. Außerdem sorgt es dafür, dass China als Architekt der „Neuen Seidenstraße“, die Europa und Asien zum stärksten Wirtschaftsraum der Erde machen soll, und Iran als potenzieller Hauptenergielieferant des Großprojektes noch näher zusammenrücken.
Dass ausgerechnet Trumps Sanktionen derartige Folgen haben, dürfte in Washington und an der Wall Street mit Sicherheit einige Krisensitzungen und Diskussionen über Gegenmaßnahmen ausgelöst haben. Es ist kaum anzunehmen, dass dabei nicht auch die Möglichkeit eines Militärschlages gegen Iran besprochen wurde, der für viele Beteiligte verlockend wäre: Er würde Trumps juristische Probleme in den Hintergrund drängen, China – dem Hauptkonkurrenten der USA – wirtschaftlich schaden, das Projekt Seidenstraße torpedieren, der US-Waffenindustrie und den hinter ihr stehenden Investoren hohe Gewinne einbringen, die US-Fracking-Industrie durch ein Hochschnellen der Öl- und Gaspreise umgehend in die Gewinnzone katapultieren und amerikanisches Erdgas zum wichtigsten Konkurrenten Russlands auf dem hart umkämpften europäischen Markt machen.
Niemand kann voraussagen, wie sich die US-Regierung entscheiden wird, aber die Gefahr eines Irankrieges, in dem die Interessen der drei Großmächte direkt aufeinanderprallen würden und der das Potenzial hätte, einen Dritten Weltkrieg auszulösen, hat durch die Ereignisse der vergangenen Woche deutlich zugenommen.
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