real für das Europa der Oligarchen, Eliten und Militaristen.
Ein Kommentar von Klaus Hartmann.
Die sogenannte „Zivilgesellschaft“ (ich denke immer spontan an alle Nicht-UniformträgerInnen) macht wieder mobil. „Campact“ will „eine europaweite Bewegung entstehen lassen, die zeigt: Dem Nationalismus gehört die Vergangenheit, aber die Zukunft gehört Europa.“ Für den 19. Mai 2019 ruft ein Bündnis von Attac und einigen Dutzend weiterer Organisationen zu Demonstrationen auf: „Ein Europa für Alle: Deine Stimme gegen Nationalismus!“ Eine „Richtungswahl“ stehe bevor, „Pulse of Europe“ raunt von einer „Schicksalswahl“: „wir werden bedroht durch Populisten, Nationalisten und Extremisten aller Art“. Offenbar das erste Mal, dass es bei einer EU-Wahl überhaupt um was geht. Will man uns zumindest vormachen.
„Campact“ bezeichnet sich als „Bürgerbewegung“, ist aber in erster Linie eine Internetseite, die „mit Online-Appellen“ Unterschriften sammelt. Sie nennt eine Zahl von „über 2 Millionen“ Mitstreitern, dabei zählen sie auch den Autor dieses Beitrags mit, weil er ihren Online-Newsletter bezieht. Ansonsten ist der Laden auch ein ordentlicher „eingetragener Verein“ mit 60.000 „Förderern“, beachtlichen 12 Mitgliedern sowie drei Vorstandsmitgliedern. Zur Demokratie in diesem Verein schreibt Uli Gellermann (Rationalgalerie): „Und wie wird man CAMPACT-Besitzer? Wenn man nicht aus den Reihen der Vereins-Förderer oder der Vereins-Mitarbeiter stammt, dann wird man vom ‚Vorstand benannt‘. Also der Vorstand wählt die Vereinsmitglieder aus, die ihn dann wählen sollen. Dagegen war der demokratische Zentralismus der SED eine äußerst liberale Veranstaltung.“
Aber die vermeintlich neutrale NGO mit dem kritischen und progressiven Gestus hat sich schon in der Vergangenheit als Propaganda-Sprachrohr des „Westens“ geoutet. Bei der Demo „Wir haben es satt“ Anfang 2017 hatte „Campact“ verkündet, die Demo sei „kein Ort für Anti-EuropäerInnen und Anti-AmerikanerInnen“, bekannte Kampfbegriffe des transatlantischen Mainstreams, womit u.a. implizit die USA mit ganz Amerika gleichgesetzt werden. „Campact“-Gründer und Vorstandsmitglied Christoph Bautz war der einzige Redner, der sowohl während der Auftakt-, als auch auf der Abschlusskundgebung sprach. Zur Krönung wurden die Freidenker, die das Anliegen eigentlich unterstützen wollten, der Demo verwiesen, weil sie, so wörtlich: „mit KenFM gesprochen und damit Verschwörungstheorien unterstützt haben“.
Aber vielleicht war das ein Ausrutscher, und man sollte nicht so nachtragend sein? Um was geht es „Campact“ bei der neuen Kampagne: Möglichst viele Mitstreiter in die Wahlkabinen zu treiben. Sie schreiben: „Italien, Ungarn, Polen: Populismus und Nationalismus bedrohen die EU. Um den Vormarsch der Rechtsextremen bei der Europawahl am 26. Mai zu verhindern, müssen wir möglichst viele Menschen in die Wahlkabinen bringen.“ Für ein Scheinparlament, wohlgemerkt.
Europawahl? Es wird doch nur in der EU gewählt! Von 46 Ländern in Europa (die Provinz Kosovo und Metohija gehört völkerrechtlich zu Serbien und wird folglich nicht mitgezählt) gehören 28 der EU an, und Großbritannien bald auch nicht mehr. Den flächenmäßig größten Anteil am europäischen Kontinent hat Russland mit knapp 4 Millionen Quadratkilometern und mit 104 Millionen Einwohnern in Europa auch die höchste Bevölkerungszahl. Von der Größenordnung folgen das Nichtmitglied Ukraine mit knapp 600.000 und Frankreich mit rd. 544.000 Quadratkilometern. Die EU mit Europa gleichzusetzen, zeugt entweder von miserablen geografischen Kenntnissen oder von der Borniertheit „westlicher“ Herrenmenschen, von EU-Chauvinismus, von nationalem zur EU gewendetem Chauvinismus.
Und solche Chauvinisten wollen uns einreden: „Italien, Ungarn, Polen … bedrohen die EU“? Könnte es sich gegebenenfalls um antiitalienischen, antiungarischen und antipolnischen Rassismus handeln? Nun soll mit dieser rhetorischen Frage die Innenpolitik der genannten Länder keineswegs heiliggesprochen werden, aber wo bleibt die Kritik an den neuen Polizeigesetzen in Deutschland? Wo bleibt die Kritik an den Misshandlungen, schweren Körperverletzungen und Verstümmelungen der Gelbwesten-Demonstranten durch die Polizei in Frankreich und dem dafür verantwortlichen „Mustereuropäer“ Macron?
Für „Campact“ ist „die EU ein global einzigartiges Projekt … die einzige Chance, die Macht der Konzerne und der Finanzmärkte zu begrenzen.“ Ist das Träumerei oder Volksverdummung? Einzigartig stimmt schon, aber nicht begrenzt, sondern grenzenlos ist ihre antisoziale Politik: Deregulierung und Zurückfahren des Staates, Lohndumping, Kürzung der Haushaltsausgaben, Abbau der Sozialsysteme, Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, Verarmung und Arbeitslosigkeit, Liberalisierung von Kapitaltransfers etc. Die grundlegenden Verträge der EU sind neoliberal bis in die Knochen und zielen darauf ab, das Privateigentum zu heiligen, jede alternative Wirtschaftsordnung zu untersagen und jeden Übergang zum Sozialismus strikt illegal zu machen. Die Hauptprofiteure sind die deutschen Konzernherren. Während die Demoaufrufer warnen: „Nationalisten und Rechtsextreme wollen das Ende der EU einläuten“, erklärt unser Maasmännchen ganz und gar „unnationalistisch“: „Unser nationales deutsches Interesse hat einen Namen: Europa“.
Wie das geht und wofür die EU steht, zeigt das Beispiel Griechenland: Nach der seit 2010 erzwungenen Sparpolitik hat Griechenland die höchste offizielle Arbeitslosenquote aller EU-Staaten, eine Jugendarbeitslosigkeit von über 40 Prozent, eine um 25 Prozent geschrumpfte Wirtschaft und um stramme 70 Prozent gekürzte Renten und Sozialprogramme. Nach den „Rettungspaketen“ liegt Athens Schuldenlast bei über 300 Milliarden Euro, Lohndumping wurde verordnet, das Tafelsilber musste verscherbelt werden, von den Stromversorgern bis zur Infrastruktur: Flughäfen, Häfen, Krankenhäuser, Schulen und öffentliche Verkehrsmittel. Mit den Erlösen müssen frühere Darlehen bei der Europäischen Zentralbank und dem IWF abgelöst werden, Griechenland muss bis in alle Ewigkeit in der Knechtschaft der Schuldenfalle dienen. Die Europäische Zentralbank hat hingegen bis 2017 rund 8 Milliarden Euro an Zinszahlungen aus Griechenland erhalten, Deutschland „verdiente“ fast 1,5 Milliarden Euro. So geht Neokolonialismus.
„Die Europäische Union droht zu zerfallen“, so „Pulse of Europe“, „der Frieden steht auf dem Spiel“. Auf der EU-Homepage das Eigenlob: „Die EU garantiert seit 70 Jahren Frieden“. Zum 20. Jahrestag der NATO Aggression gegen Jugoslawien entweder ein Zeichen miserabler Geografie-Kenntnisse, denn Jugoslawien liegt unzweifelhaft in Europa, oder die EU leidet an fortgeschrittener Demenz. Die große Mehrheit der NATO-Länder, die Jugoslawien bombardierten, waren EU-Mitglieder. Zwecks Regime Change in Syrien verbündete sich die EU mit islamistischen Halsabschneidern und verhängte Sanktionen zum Aushungern der Bevölkerung. Das Welternährungsprogramm (WFP) stellte schon 2015 fest, dass daher jeder dritte Syrer regelmäßig hungrig zu Bett gehe und mehr als sechs Millionen Menschen auf internationale Nahrungsmittelhilfen angewiesen seien, die Sanktionen seien auch der „hauptsächliche Grund“ für den Niedergang des syrischen Gesundheitssystems und die finanzielle Austrocknung der Hilfsorganisationen vor Ort.
Nicht minder ist die EU gegen linke Regierungen in Lateinamerika engagiert. Am 20. Januar 2019 bedrohte sie die Regierung Nicaraguas mit Sanktionen, am 31. Januar 2019 haben die Abgeordneten des EU-Parlaments mit großer Mehrheit den Putschistenführer Juan Guaidó als rechtmäßigen Interimspräsidenten Venezuelas anerkannt. Eine entsprechende Erklärung der EU-Kommission zur Unterstützung Guaidós scheiterte – ausgerechnet am Veto Italiens, das von „Campact“ & Co. zum Problemfall ausgerufen wird.
Das angebliche „Friedensprojekt EU“ hatte 2017 nach den Worten der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini einen „historischen Moment“, als der „Vertrag Ständige strukturierte Zusammenarbeit“ (englisch abgekürzt: Pesco) unterzeichnet wurde. Damit werden gemeinsame Rüstungsprojekte gestartet, EU-weit zur Verfügung stehende Militäreinheiten aufgebaut und die Mitglieder verpflichten sich zur regelmäßigen Steigerung ihrer Militärausgaben. Die EU will auch einen gemeinsamen „Rüstungsfonds“ auflegen, also eine gemeinsame Kriegskasse, der bis 2027 50 Milliarden Euro umfassen soll. Das Geld soll laut ARD-Hauptstadtstudio ohne parlamentarische Kontrolle vergeben werden. Als neueste Errungenschaft ist die sog. „Europäische Interventionsinitiative“ geplant, sie versteckt ihre Absichten nicht hinter nebulösen Formeln, sondern stellt sie in ihrem Namen offen zur Schau. Schließlich kommt ein „militärischer Schengen-Raum“, der so heißt, weil die Staaten bei der Verlegung von Soldaten und Mordwerkzeug nicht mehr gefragt werden, und dann braucht es für „die militärische Mobilität“ Richtung Osten Geld für gute Straßen und tragfähige Brücken, die dann „kv“, kriegsverwendungsfähig, sind.
Es war ebenfalls die EU, die durch ihr Assoziierungsabkommen mit der Ukraine die Krise um das Land 2014 erst ausgelöst hat. Dafür bestraft sie Russland, mit halbjährlich verlängerten und erweiterten Sanktionen, meist „wegen der Halbinsel Krim“, die sie als „rechtswidrig annektiert“ bezeichnet. Mit dem Faschisten-Führer Tiahnybok konferierten EU-Diplomaten seit Anfang 2013, im Dezember 2013 bezeichnete der EU-Botschafter in Kiew, Jan Tombinski, die Faschisten-Partei Swoboda als „einen gleichwertigen Partner“. Unmittelbar vor dem Staatsstreich, am 20. Februar 2014, zelebrierte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier in EU-Mission öffentlich den Schulterschluss mit den Neofaschisten. Wer solche „Antifaschisten“ hat, braucht keine Faschisten mehr.
Wer die AfD bekämpfen will, um vermeintlich den Faschismus zu bekämpfen, betreibt bestenfalls antifaschistische Ersatzvornahme. Nachdem der EU angeblich Gefahr von „Rechtsextremen“ oder „Faschisten“ drohe, ist es hilfreich, einmal das Buch „Neuer Faschismus“ von Enzo Traverso zur Hand zu nehmen; Christoph Jünke schreibt in seiner Rezension: Die Anwendung des Faschismusbegriffs auf jene neuen heterogenen und ‚rechts-bunten‘ Bewegungen unserer Zeit ist in seinen Augen aber nicht nur theoretisch und begrifflich irreführend, mehr noch ist sie für Traverso praktisch-politisch gefährlich. Allzu schnell tappe man in die Falle eines liberal-konservativen Antifaschismus, der, zum Beispiel in der verbreiteten Rede vom ‚Islamofaschismus‘, westliche Werte gegen östliche Barbaren mobilisiere, um so letztlich das eigene Vaterland oder gar die Europäische Union zu verteidigen. Doch wer die zutiefst neoliberale EU – aus der Distanz betrachtet die Inkarnation eines neuen europäischen Imperialismus – so unkritisch verteidigen zu müssen glaube, mache die Brandstifter zur humanitären Feuerwehr.“ Traverso: „Sobald man nachzudenken beginnt, erweist sich der Begriff ‚Faschismus‘ mehr als ein Hindernis denn als ein Element zur Klärung der Debatte.“
Als die Begriffe „rechts“ und „links“ noch ihre ursprüngliche Bedeutung als Bezeichnungen der politischen Richtung hatten, also noch nicht verdreht und verfälscht waren, stand „rechts“ für die Verteidigung der Privilegien der Herrschaft und für Krieg und „links“ für den Kampf um soziale Gerechtigkeit und Frieden. Für Frieden und soziale Gerechtigkeit steht die EU in jedem Fall nicht, sie ist ein „rechtes“ Projekt, der Banken und Konzerne. Und geht es „noch rechter“ als mit wahnwitziger Hochrüstung und Kriegsvorbereitung?
Sicher bin ich beim Kampf gegen den Nationalismus dabei – wenn der Nationalismus nicht darin gesehen wird, dass das Recht, über den Staatshaushalt zu entscheiden in das eigene Parlament gehört, und nicht nach Brüssel. Der zu bekämpfende Nationalismus steht in „Bild“ und äußert sich in der Schlagzeile „Pleite-Griechen“, und er steht im „Spiegel“ als Anklage gegen Italien: dass „eine Nation die Hand aufhält, um sich ihr sprichwörtliches dolce far niente von anderen finanzieren zu lassen“. Diesen ekelhaften Nationalismus meinen „die Guten“ Europa-Traumtänzer aber eher nicht.
„Über die Losung der Vereinigten Staaten von Europa“ schrieb einer, der Vielen als „Klassiker“ gilt: „Vom Standpunkt der ökonomischen Bedingungen des Imperialismus, d.h. des Kapitalexports und der Aufteilung der Welt durch die ‚fortgeschrittenen‘ und ‚zivilisierten‘ Kolonialmächte, sind die Vereinigten Staaten von Europa unter kapitalistischen Verhältnissen entweder unmöglich oder reaktionär.“ Muss Lenin den Kriterien der EU-Jubelperser folgend nun auch als „rechtsextrem“ einsortiert werden? Wer den EU-Gesundbetern und Rattenfängern hinterher läuft, sollte dringend mal darüber nachdenken, ob er nicht besser auf die Seite des denkenden Teils der Bevölkerung wechseln sollte.
Der „Pulse of Europe“-Gründer Dr. Daniel Röder ist Anwalt der Frankfurter Nobel-Wirtschaftskanzlei Greenfort, die sich um Personalabbau, Unternehmenserwerb und -veräußerung sowie Privatisierungen kümmert, und zwar immer „mit bestmöglicher Wertschöpfung“ – ein idealer EU-Vorkämpfer. Der eingangs erwähnte „Campact“-Gründer und Vorständler Christoph Bautz schrieb eigenhändig von „Campacts amerikanischer Schwesterorganisation MoveOn.org“. Womit das Geheimnis offen vor uns liegt: Der Verein ist wie „AVAAZ“, „Otpor“ (für den Staatsstreich in Jugoslawien), „Adopt a Revolution“ (zwecks Sturz der Regierung Syriens) und „MoveOn“ eine „NGO“ aus dem Hause des „menschenfreundlichen“ Spekulanten Georg Soros.
Uli Gellermann nennt das schöne Beispiel: „Noch rätselhafter wird es, wenn die Haupt-Verursacher des Syrienkrieges, die USA und ihre Verbündeten in Saudi Arabien und Katar von ‚Campact‘ komplett ausgeblendet werden, um ausgerechnet die Bundesregierung aufzufordern, dem UN-Sicherheitsrat behilflich zu sein, ‚die Lähmung der Vereinten Nationen zu überwinden‘, die sich ‚von Russland blockieren und erpressen lassen.‘ Und wer zwischen den ‚Campact‘-Zeilen lesen kann, dem schreit das Wort ‚Flugverbotszone‘ geradezu entgegen.“
Der neoliberale Imperialismus steuert via Konzernstiftungen den sogenannten „sozialen Aktivismus“, die Aktivisten agieren aber letztlich als Propagandisten der Neuen Weltordnung, sie spielen im „Teile und Herrsche“-Spiel der Mächtigen mit, sie zersetzen, was von der Linken noch übrig ist. Und sie wirken als Regime Change-Kriegspaten des Imperialismus.
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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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