Eine Satire von Dirk Pohlmann.
Erst die Reaktion auf das Rezo Video, dann das Ergebnis der Europawahl und jetzt liefert auch noch die Sonntagsfrage, also, “welche Partei würden Sie wählen, wenn am Wochenende Bundestagswahl wäre”, katastrophale Ergebnisse für die staatstragenden Parteien. Die Grünen waren erstmals die stärkste Kraft mit 27%, gefolgt von der CDU mit 26%, während die SPD 12% ereichte. Das ist keine Ohrfeige des Wählers, das ist ein beherzter Tritt ins Gemächt. Zumindest, wenn man dem Umfrageinstitut Forsa glaubt. Bei Emnid waren die Werte etwas anders, da lag die CDU mit 28% noch deutlich vor den Grünen mit 20% und die SPD war nicht totalvernichtet, sondern mit 16 statt 12 Prozent immer noch der größte Zwerg der Welt. Und die AfD steigt auch nicht weiter auf, sondern dümpelt herum wie ein Quietscheentchen im merkwürdig gelben und warmen Babybecken.
Aber das sind graduelle Unterschiede, was offenbar wird, ist, dass die Plattentektonik in der Bevölkerung Ausmaße erreicht hat, die Erdbeben möglich machen. Im Willy Brandt Haus hat die provisorische Führung gerade beschlossen, nach dem Rücktritt von Andrea Nahles den von ihr favorisierten Werbespot für die nächsten Landtagswahlen doch nicht zu verwenden. Er bestand aus einer einzigen Einstellung, in der man sieht, wie ein großer Passagierdampfer nachts vollerleuchtet auf einen Eisberg zufährt. Dazu sagt eine sonore Stimme: „Man hat schon ganz andere Sachen als unsinkbar bezeichnet. S – P -D.“
Der wichtigste Wert der Forsa Umfrage war nicht, dass erstmals die Grünen den Kanzler stellen könnten, sondern die Frage nach der politischen Kompetenz. Jeweils 17% der Wähler trauen der CDU und den Grünen zu, mit den Problemen in Deutschland am besten fertig zu werden. Und 55% trauen keiner Partei irgendetwas zu. 55% glauben, dass keine politische Partei in Deutschland irgendetwas verändern wird. 55% wollen nicht mehr. Ich habe dafür großes Verständnis, denn ich gehöre dazu.
Glaubt irgendwer, dass irgendein Politiker den internationalen Konzernen Vorschriften machen darf? Steuern auferlegen kann? Glaubt irgendwer, dass irgendeine Regierung des sogenannten Freien Westens sich z.B. Gedanken über einen Austritt aus der NATO machen kann, ohne dass es einen Regime Change der Geschmacksrichtung Olof Palme oder Venezuela gibt? Ohne dass Claus Kleber oder Marietta Slomka dann den „charismatischen“ deutschen Guaido in einer Homestory vorstellen, bevor die Ausgangssperre beginnt?
Die Grünen glauben das auch nicht. Deswegen fordern sie auch nicht mehr, wie im ersten Bundesprogramm 1982, die Auflösung der NATO (und des Warschauer Paktes, aber der wurde ja tatsächlich aufgelöst) sie forderten 1999 die Bombardierung Serbiens und würden jetzt schon gerne in der Ukraine einmarschieren. Ich wette ein kühles Alster, dass sie auch beim Kampf gegen die Klimaerwärmung im entscheidenden Moment auf der falschen Seite der Barrikade auftauchen. Ich wette aus Erfahrung.
Aber Rezo und große Teile der Bevölkerung glauben oder hoffen, dass die Grünen beim Thema Klimaerwärmung die kompetenteste Partei sind. Ich werde mich freuen, wenn ich von der Realität widerlegt werde. Sehr. Aber ich hoffe nicht darauf. Immerhin kann man derzeit beobachten, wie alle Parteien, sogar die AfD, in Sachen Klima jetzt rasante Lippenbekenntnisse abgeben. Das ist wenigstens Bewegung in die richtige Richtung.
Man könnte die Umfrageergebnisse von Forsa und Emnid auch so ausdrücken, dass die Gelbwesten in Deutschland zur stärksten politischen Kraft geworden sind und die GroKo wackelt. Weil die Deutschen aber nicht dazu neigen, am Gitter des Versailler Schlosses zu rütteln und die Kopflosigkeit der Führungselite selbst per Guillotine Wirklichkeit werden zu lassen, wie es die Franzosen 1789 taten, sondern die Kopflosigkeit lieber in Umfragen manifestiert wissen wollen, ziehen sie die gelben Westen nur auf die gleiche Weise an, wie das Udo Lindenberg das für Erich Honecker und seine Lederjacke beschrieben hat: abends im Klo. Max und Erika Mustermann warten lieber auf die Fertigstellung von Großflughäfen durch Fachleute aus Politik und Wirtschaft, als eine Revolte anzufangen. Vielleicht haben sie recht, denn demonstrieren kann im freien Westen ganz schön ins ins Auge gehen, und hat in Frankreich auch nicht Hand und Fuß, sondern sprengt sie weg. Auch die westliche Demokratie kann Tiananmen!
Und weil die Wähler so lammfromm sind, können Politik und Medien in Deutschland den Wählern schlechte Kopf-Noten ausstellen, statt um ihren Kopf Angst haben zu müssen. Und werden wieder unverschämt.
Gut, sagen uns die Parteien, wir haben eine Demokratie, und das bedeutet Herrschaft des Volkes, stimmt, aber das hat doch bisher auch niemand ernst genommen und damit sind wir doch 70 Jahre gut gefahren. Gut, auf dem Marktplatz aller deutschen Großstädte liegt – nach dem Wahlkampf sozusagen – ein verendeter GroKo-Pottwal, die Sonne scheint und es wird in Kürze sehr unappetitlich, aber das sollte sie nicht zu Kurzschlussreaktionen verleiten. „Der Wal muss weg“ zu fordern ist billiger Populismus und keine seriöse Politik. Bitte stimmen sie ab, ob die Parteien mit den schwarzen, hellroten, grünen oder blauen Kaffeelöffeln das Problem besser in den Griff kriegen werden. Die Spezialisten von ARD, ZDF, RTL und SAT1 haben dazu Interviews und Talkshows organisiert. Maybrit Illner geht mit der Frage: „Sind verchromte Kaffeelöffel wirklich nachhaltiger als Einweglöffel aus Plastik?“ ins Rennen, und Anne Will hat eine Expertenrunde zusammengestellt, die über die Einführung von Kuchengabeln statt Löffeln zur Walbeseitigung streitet, der neue heiße Scheiß in der politischen Arena.
Bitte achten Sie nicht auf die Vertreter der Alternativmedien, die davor warnen, dass tote Wale beim Verwesen auch explodieren können, das sind unverantwortliche Verschwörungstheorien antisemitischer Amerikahasser, die Fake News verbreiten und deshalb völlig zu recht auf Facebook und Youtube heruntergerechnet und gesperrt werden. Meinungsfreiheit hat auch ihre Grenzen!
Das Bundesverfassungsgericht hat zwar behauptet, dass die Meinungsfreiheit schlechthin konstituierend für die Demokratie sei, aber das ist schon sehr lange her und das Verfassungsgericht war damals ein Gremium, das ausschließlich aus Männern bestand, weswegen auch Grüne und Linke fordern, dass die Entscheidungen gendergerecht neubewertet werden müssen. Nach Angaben der CDU, SPD, FDP und AfD ist sehr fraglich, ob so alte Entscheidungen den Anforderungen der globalen Wirtschaft noch genügen, sie sollten deshalb auf jeden Fall neu ausgelegt werden. Etwa so: Das Volk hat das Recht, sich in den Qualitätsmedien jederzeit über die Meinung der wichtigsten Parteien zu informieren, solange die Berichterstattung nicht das Wahlverhalten zu sehr beeinflusst.
Auch die Vertreter der Relotius-Qualitätsmedien sind dieser Ansicht. Über viele Jahrzehnte haben sie sich ihr Medienhausen, im Volksmund auch Sender Wandlitz oder Unterhaltungkombinat Frohsinn genannt, gemütlich eingerichtet. Gemeinsam mit der Politik. Ohne störenden Pöbel. Es war ein gegenseitiges Geben unf Nehmen, so ehrenwert wie bei der ehrenwerten Gesellschaft üblich, die im Volksmund auch Mafia genannt wird.
Das Personal, das Wahlvolk, arbeitete, wo es hingehört, in der Küche, als Zimmermädchen und als Reinigungskraft, und erhielt seine tägliche Ration Medienerzeugnisse. Niemand erdreistete sich, ungefragt in den Salons der Herrschaft aufzutauchen. In den wenigen überlebenden Print-Verlagshäusern wurde und wird sowieso nach Gutsherrenart geherrscht und im öffentlich rechtlichen Rundfunk bestimmen die Parteien, wer aus der Atlantikbrücke Chefposten bekommt. So hat alles seine Ordnung. Sicher, es gab immer Querulanten. In 14 Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht schlechte Stimmung verbreitet. Damit muss jetzt Schluss sein. Dem Wahlvolk, das von den Erziehungsberechtigten in den Rundfunkanstalten auf Linie gebracht wird, muss ein für alle mal klar gemacht werden, wer hier Sender und wer nur Empfänger ist.
Und zwar nicht nur in den Relotiusmedien, wo das hervorragend klappt, sondern auch in Wildwüchsen des Neulandes Internet. Eine Task-Force der Amadeu Antonio Stiftung, die sich bereits in der DDR unter Leitung von IM Viktoria, auch bekannt als Anetta Kahane, im Kampf gegen staatsfeindliche Elemente bewährt hat, wird seine angestammten Aufgaben mit neuer Armbinde, frischem Mut und üppiger Staatsfinanzierung auch auf Facebook und Youtube weiterführen. Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein! Die Amadeu Antonio Stiftung hat ja bereits als Berater der Bundesregierung vorgeschlagen, die Meinungsfreiheit, die besser Meinungsfrechheit genannt werden sollte, durch AGBs der Privatunternehmen Facebook und Google Youtube unter Kontrolle zu bringen. Und so funktioniert das Abschalten parteischädigender und zersetzender Kräfte in den genannten Medien bereits ganz gut, kann aber noch verbessert werden.
Und daran wird gearbeitet. Zum Beispiel bei der Integrity Initiative, der vom britischen Militär-Geheimdienst aufgestellten Task Force, die sie, werter Wahlbürger, gemeinsam mit Bellingcat ohne ein Quentchen Fake-News, ein Schuft, wer so was denkt, über Skripal, MH 17, Julian Assange, Jeremy Corbyn und Bernie Sanders im speziellen und Russland im allgemeinen desinformiert, Entschuldigung, informiert. Die Integrity Initiative wird unter anderem von der NATO, von Facebook und dem US Außenministerium finanziert. Na dann! Worüber sie in den Relotiusmedien nichts gehört haben und deren Eintrag in Wikipedia bis zur Unkenntlichkeit eingedampft wurde und unter einem anderem Namen abgelegt wurde. Erfahren konnten sie darüber nur in Alternativmedien und bei RT.
Damit das so bleibt, müssen wir, die bevölkerungsbetreuende Parteiaufsicht, aktiv werden. Wir alle haben gesehen, wozu gefährliche Informationen führen können. Deswegen haben sie sicher dafür Verständnis, dass die Parteienaufsicht der Meinungsfreiheit, auch im Sinne ihres Seelenheils und ihrem ureigensten Interesse, diesen Kanal abstellen wird. Und zwar jetzt sofort. Denn so war das mit der Meinungsfreiheit von den Parteien nicht gemeint, und die sind ja Kernbestand, das Wesen Deutschlands.
Im Rahmen der DSGVO weisen wir sie noch darauf hin, dass alles, was sie gehört haben, jederzeit gegen sie verwendet werden kann.
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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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