Ein Kommentar von Rüdiger Lenz.
Der Fokus schrieb am 5. September dieses Jahres, Zitat Anfang: „Ministerpräsidentin Manuela Schwesig schickt ihr Kind auf Privatschule.
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) steht wegen der Entscheidung, ihr älteres Kind zum Schuljahresbeginn auf eine Privatschule zu schicken, in der Kritik. Nach Ansicht der Links-Opposition im Landtag offenbart der Schritt die Mängel und Lücken im staatlichen Schulsystem.
Über Jahre hinweg seien die öffentlichen Schulen in Mecklenburg-Vorpommern kaputt gespart worden und Schulleistungen ans Gängelband gelegt worden. Wenn Schwesig nun ihr Kind zum Start der fünften Klasse auf eine Privatschule schicke, drücke dies auch mangelndes Vertrauen in das von ihr als Regierungschefin verantwor- tete staatliche System aus, sagte Linksfraktionschefin Simone Oldenburg am Dienstag.“ Zitat Ende.
Die Linken, gewohnt nicht weiter zu denken als in allem, was Mangel und Kapitalismus-Kritik betrifft, bemängeln zurecht, was die Ministerpräsidentin gerade vorhat. Sie bemängeln aber etwas, das auf eine gänzlich andere Art und Weise zu kritisieren wäre. Im nachfolgenden Text werden wir die Wunde etwas genauer untersuchen und sie schonungslos offenlegen, damit auch der letzte Linke versteht, worum es im Schulwesen eigentlich geht. Vielleicht findet sich dann der eine oder die andere Linke auch dazu bereit, dass nun folgende in ihr Denken und Handeln einfließen zu lassen.
Kinder werden nicht freiwillig in deutsche Regelschulen geschickt, besser „eingeliefert“. Es herrscht Schulzwang, sprich Schulpflicht. Und wer da einmal etwas genauer nachforscht, dem wird ein Licht aufgehen, ein völlig tiefschwarzes Licht. Sinn in deutschen Schulen ist nicht etwa die Bildung im Sinne einer am Wachstum orientierten Bildung oder an freier Bildung, die sich an entwicklungsbiologische Grundsätze orientiert. Nein! Sinn von Schulbildung ist die Erziehung hin zu einem Staatsbürger. Das ist die primäre Aufgabe von Regelschulen. Private Schulen sind da etwas freier, aber in der Regel nicht freier als deren Gründer selbst.
Wie wird ein kleiner Mensch in unserer Gesellschaft groß? Kinder werden geboren und kommen in der Regel dann zu Mami und Papi. Dort wird das Kind dann erzogen. Vati und Mutti ziehen ihre Kinder zu ihren Glaubenssätzen hin, zu ihren Gewohnheiten, ihren Regeln und zu ihren ganz individuellen Weltbildern hin. Das geschieht, sobald das Kind zu Hause ist. Schon Babys orientieren sich an dem, was Mami und Papi gefällt, was sie glücklich und zufrieden macht. So entsteht mit der Zeit ein Geflecht aus Anpassungen, Konditionierungen und Abgleich dessen, was das Kind dann immer fester daran glauben lässt, dass es gewollt, wertgeschätzt und geliebt wird. Diese drei Grundnahrungsmittel für die Psyche sind aber Tarnungen und Täuschungen. In den ersten drei Jahren machen Kleinstkinder in der Regel hier bei uns folgende Erfahrungen: Ich werde geliebt, wenn ich tue, was Mami und Papi gefällt. Wenn ich tue, was ihnen gefällt, dann mögen mich beide. Die, auf die es ankommt, sind Mami und Papi. Mache ich sie glücklich mit dem, was sie von mir erwarten, dann werde ich geliebt und bin glücklich. Ein fataler Glaube!
Das geschieht komplett unbewusst und wird durch eine Anpassung an das empathische System in unseren Kindergehirnen in der Art festgezurrt, dass so gut wie jeder lerne, etwas ganz Entscheidenes komplett von sich abzukoppeln: sein empathischer Selbst- und Fremdbezug! Hier beginnt die ganze menschliche Tragödie in einer selbst aufopfernden Overtüre schon vorwegzunehmen, was aus seinem Leben letztlich wird. Jetzt folgt der erste Akt.
Es ist der Gang in den Kindergarten. Dieser Gang in den Kindergarten ist der zweite große traumatische Bruch, nach dem ersten ganz großen Bruch: „Auf mich kommt es nicht an! Es kommt darauf an, dass ich mich an eine Autorität anpasse, sie anhimmele und ihr meine innere Gefolgschaft übertrage.“ Arno Gruen, der wohl größte Psychologe unserer Zeit, beschreibt dies mit einer zeitlebens nicht loszuwerdenden „Identifikation mit den Aggressor“. Diese Identifikation transformiert den inneren Terror („ich muss tun was andere mir auftragen, es geht nicht um mich“) in eine äußere Person, die es als Herrschaftsprinzip ganz allgemein annimmt. Hier beginnt die Herrschaft über mich sich als ein beherrscht werden wollen umzuwandeln. Es ist jedoch in Wahrheit ein völlig abnormes Verhalten, dass sich in unserem empathischen Bewusstsein hingegen als völlig normales Verhalten etabliert hat. So gut wie niemand hinterfragt dieses Verhalten zeitlebens auch nur ein einziges Mal. Dieses Verhalten begründet eine Trennung von sich selbst, und zwar in seinem allertiefsten Sinn.
Jetzt passiert etwas Wesentliches, etwas so dermaßen einschneidendes und krankmachendes in unserem Leben, dass seine Bloßlegung als das, was es tatsächlich ist, den meisten Menschen, die den inneren Terror in den äußeren Aggressor gewandelt haben, nur als Blasphemie erscheinen mag. Es ist die Zwangseinweisung in die Schule. Hier wird alles festgezurrt, eingefräst und verschweißt, was zuvor etwas labil durch die elterlichen Erziehungsversuche ansatzweise konditioniert wurde. John Taylor Gatto, längst ein Hero in der Freilerner-Szene, schrieb hierfür ein wegweisendes Buch: „Dum- bing Us Down“, in deutsch: Verdummt noch mal!, der unsichtbare Lehrplan. Dort beschreibt er, was uns in der Schule tatsächlich beigebracht wird: Verwirrung stiften, gesellschaftliche Schichtung konditionieren, Gleichgültigkeit gegenüber allem Gefühlvollem, Emotionale Abhängigkeit durch beherrscht werden wollen, intellektuelle Abhängigkeit in Form von Wissenschaftshörigkeit, labiles Selbstbewusstsein und auflösen des Selbstwertes. Dies zusammengefasst deutet Gallo als: Man kann sich vor dem System nicht verstecken, man muss ihm gehorchen. Gallo meint, dass dies der versteckte Plan hinter der Bildung ist, die in Schulen den Kindern als Start in die Welt verkauft wird. Hört man dies alles zum ersten Mal, so kann man es nicht glauben. Man will es schlichtweg nicht glauben. Denn glaubte man dies, so wäre dies ein staatlich verordneter Missbrauch an uns alle. Lassen sie es zu. Denn genau das ist es. Ein Missbrauch, noch tiefer und schändlicher, als sexueller Missbrauch. Es ist die Vergewal- tigung des eigenen Lebens, ein Missbrauch für die herrschende Klasse. Goethe schrieb nach nicht ohne dies alles genau zu wissen: Niemand ist mehr Sklave, als der sich für frei hält, ohne es zu sein. Denn Goethe war einer der Gründer des „humanistischen Bildungsideals“, zusammen mit Wilhelm von Humboldt und Friedrich Schiller.
Nun, Gott sei Dank gibt es noch Informationskanäle wie diesen, in dem Leute wie ich darauf hinweisen können, dass irgendetwas mächtig schief läuft mit uns. Und Gott sei Dank gibt es aufgeklärte Menschen wie euch, die sich dessen nicht scheuen, sich damit zu befassen. Es gibt, zumindest für mich, keine unbequemere Wahrheit als genau diese, dass wir in Massen um unseren Selbstwert betrogen werden. Und zwar von allem, was Staat und Politik heißt. Es gibt keine gute Seite dabei, nur Parteien und Politiker die es gelernt haben, ihre Sache als Befreiung und Gut zu verkaufen. Sie alle betrügen aus Wissen oder Unwissen heraus und folgen mit ihrem Marketing dem erfolgreichsten Gewerbe aller Zeiten: der Kirche.
Jetzt kommt die bittere, die rote Pille. Die erste Sprache, die wir besitzen, sobald wir auf die Welt kommen, ist eine uns schon angeborene Sprache. Die Muttersprache deutsch, englisch, oder türkisch ist schon die zweite Sprache, die wir lernen. Die erste ist Empathie. Wir werden mit einer von unserem Gefühl geleiteten Form der Kommunikation geboren. Das Baby geht davon aus, dass die Außenwelt, die Menschen, mit denen es von Anbeginn auskommen wird, dass diese die Sprache der Empathie ausgezeichnet beherrschen. So aber ist die Welt der Menschen schon lange nicht mehr. Generationen von uns sind mit einer völlig umgekehrten Sprache groß geworden. Nicht: Auf mich wird sich eingestellt, sondern: Ich muss mich auf sie einstellen, ist die Hauptsprache. Sie steht zeit Lebens auch über der Muttersprache, die wir alle als Kinder fast wie von selbst lernten. Dieser ganze Prozess, den ich hier nur sehr vereinfacht darstellen kann, mit dem wir alle dann erwachsen werden, löste eine Vielzahl von Traumen in uns aus, kleinere wie größere Traumen, so dass wir so sehr gegen Empathie und Mitgefühl abgestumpft sind. Wir erkennen unsere Traumabelastungen nicht mehr und erziehen eine Generation nach der anderen. Wir tradieren dadurch Traumen und arbeiten sie nicht mehr auf.
Erziehung, Bildung und Selbstveränderung ist für unser Gehirn ein und derselbe Prozess. Wir haben gelernt, diese Drei zu unterscheiden, und wir tun uns schwer damit, sie als Eins zu verstehen. Einer, der das tut, ist der Psychologe Franz Ruppert. Er hat sich ganz dem Thema dieser Vielzahl von Traumen gewidmet und es ist äußerst bemerkenswert, was er da zuwege gebracht hat. Auch er ist einer der Wichtigsten unserer Zeit. Fast die gesamte Hochschulpsychologie hat er wieder vom Kopf auf die Füße gestellt. Doch wer schaut schon auf die Psychologie, wenn politische Ersatzbefriedigung die eigene Bedeutsamkeit in den Himmel heben kann. Sprich Wahlen anstehen und jeder meint, noch mehr Fremdverantwortung wäre das beste Maß.
Es ist vollkommen egal, Frau Schwesig, auf welche Schule Sie ihr Kind nun bringen. Wichtig wäre, unsere Kinder von der Knute der Erziehung und der Bildung loszulösen. Es sollte heißen: Beziehung statt Erziehung, Freilernen statt Schulpflicht, Selbsterfahrung statt Praxispsychologie. All unsere gewohnten Systempressorgane halten am Staatsbürger fest. Am verkrankten, möglichst nicht empathischen Menschen fest. Sozialarbeit, Pädagogik und Praxispsychologie erhalten und erschaffen einen modernen Frankenstein, der dem Kapital, der Karriere, dem Geld und der Macht hinterher rennt. Das aber ist die faschistische Wurzel, die es gilt auszurupfen, da sie den wirklich freien Menschen missbraucht und ihm alle Möglichkeiten raubt, die der kleine Mensch schon mitbringt: Ich fühle, was du fühlst. Daraus folgt nur eine wichtige Regel: Folge niemandem, lebe Dich selbst!
Quelle
http://www.focus.de/politik/deutschland/mecklenburg-vorpommern-schwesig-schickt- ihr-kind-auf-privatschule-dafuer-hagelt-es-kritik_id_7557313.html
Arno Gruen: Der Fremde in uns, München 2013.
Franz Ruppert: Frühes Trauma, Schwangerschaft, Geburt und erste Lebensjahre
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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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