Ein Kommentar von Bernhard Loyen.
Deutschland kritisiert nur dann andere Länder, sofern es um deutsche Interessen geht, wenn daraus resultierender Nutzen und entsprechende Vorteile früher oder später zu erwarten sind. Deutschland bedeutet in diesem Falle natürlich nicht die deutschen Bürger, sondern die aktuelle Regierung. Vertreten durch Amtsträger und entsprechende Zuträger.
Jetzt heißt es bei genauerer Betrachtung, wer wird wofür kritisiert? Aktuell meint Deutschland dem lateinamerikanischen Land Venezuela innenpolitsche Abläufe aufdrängen zu müssen, bzw. Empfehlungen und Forderungen ungefragt aufzuoktroyieren.
Aufgrund der aggressiven einseitigen Medienberichterstattung noch einmal kurz erläutert, worum geht es nur in Venezuela? Es geht um das Land mit den grössten Erdölreserven der Welt. Es geht um einen US gesteuerten Machtwechsel. Es geht um die Rückeroberung der staatlichen Ölgesellschaft PDVSA durch entsprechende Interessenverbände.
Hiesige Medien manipulieren fortlaufend interessierte Bürger mit der Information, dass die Probleme des Landes alleinig durch die Regierung Nicolas Maduro und die Amtszeit seines Vorgängers Hugo Chavez zu Stande kamen. Dass zwei sozialistische Regierungsmodelle mal wieder die Bürger in bittere Armut gebracht haben. Dass das Land unfähig regiert wurde. Das ist freundlich formuliert die halbe Wahrheit. Man könnte auch schreiben schlicht gelogen. Auch hier erneut genannt die Fakten.
Die Wahl von Hugo Chavez zum Präsidenten im Dezember 1998 hatte eine Vorgeschichte: Das Fundament: eine ökonomische Krise, die das Land seit 1983 durchlebte, die sich wegen der Verantwortungslosigkeit, Ineffizienz und Korruption immer weiter vertieft hat, bis zu dem extremen Punkt, daß sich 80% der Bevölkerung im Stadium der Armut befanden (1). Die Analphabetenrate lag bei über zehn Prozent. Hunderttausende hatten keinen Zugang zu ärztlicher Versorgung oder zu mehr als der nötigsten Schulbildung. (2)
Diese Realitäten zu beseitigen brauchte Zeit. In den folgenden Jahren setzte Chavez (er verstarb 2013) zahlreiche soziale Programme um und verstaatlichte Grund, Öl und Banken des von starker Ungleichheit geprägten Landes. Damit machte er sich speziell in den USA keine neuen Freunde. Es folgten Sanktionen gegen seinen Nachfolger Maduro. Zudem ein elementarer Kurseinbruch des Ölpreises im Jahre 2014. Doch das Volk wollte sich weiterhin nicht vollends abwenden. Es hieß also von US Seite aggressiver zu agieren. Es hieß wieder einmal die im Irak, Libyen und Afghanistan missbrauchten Vokabeln Humanität und Demokratischer Wandel anzuwenden. Man suchte und fand Juan Guaidó.
Die Hintergründe und Wurzeln dieses aalglatten Strahlemannes finden sich bis ins Detail recherchiert in einem Artikel von Dan Cohen und Max Blumenthal. Die deutsche, wie die englische Originalversion sind verlinkt. (deutsche Version/englische Version). Die Überschrift lautet: Juan Guaidó: Ein Staatschef aus dem Regime-Change-Labor. Schon der einleitende Satz lässt Böses ahnen, Zitat: Juan Guaidó ist das Produkt von mehr als zehn Jahren Arbeit, koordiniert von den Regime-Change-Trainern der Washingtoner Elite. Während er vorgibt, ein Verfechter der Demokratie zu sein, steht er in Wirklichkeit an der Spitze einer brutalen Destabilisierungskampagne.
Wer wirklich verstehen möchte, sollte diesen Artikel lesen. Zudem ist ein Interview mit Max Blumenthal auf RT America verlinkt – aufschlussreich ergänzend.(5)
Sehr zu empfehlen ist auch die Rede des Außenministers Venezuelas Jorge Arreaza vor der UN. (6) Auch sie ist verlinkt.
Am 25. Januar wurde schon mal Juan Guaidós zukünftiger Coach vor Ort vorgestellt. Kein geringerer als US Außenminister Mike Pompeo zeigte sich wörtlich „unglaublich begeistert“ einen „bewährten, prinzipientreuen und kompromisslosen außenpolitischen Veteranen im Team begrüßen zu dürfen.“ Es handelt sich um Elliott Abrams, der schon unter Ronald Reagan, über George W. Bush bis in die jüngste Gegenwart sein Unwesen trieb. Die Drohung für Venezuela lautet im US Falschsprech, Zitat Mike Pompeo: “Elliott wird ein echter Gewinn für unsere Mission sein, dem venezolanischen Volk zu helfen, Demokratie und Wohlstand in seinem Land vollständig wiederherzustellen“ (7) Man darf, man muss mit dem Schlimmsten rechnen.
Unsere Medien lügen, wenn es bestimmten Interessen dient. Was verschweigen sie jedoch aktuell in diesem Konflikt? Das Außenministerium Venezuelas gab Anfang Februar bekannt, dass die Afrikanische Union Präsident Maduro ihre Unterstützung zusichert.(8) Die Afrikanische Union ist der wichtigste Zusammenschluss aller 55 afrikanischer Staaten. Diese Länder haben Erfahrungen mit Kolonialdenken und Fremdherrschaft.
Ist es daher vielleicht kein Zufall, dass folgende federführende EU Staaten Venezuela innenpolitsche Empfehlungen aussprachen und kurzerhand Präsident Maduro die Anerkennung seiner Präsidentschaft in Abrede stellen?
Es sind Spanien, Portugal, Frankreich, Niederlande, Grossbritannien, Dänemark und eben Deutschland. Die Renaissance der Kolonialkollektivität.
Was haben denn entsprechende europäische Staatenlenker dem venezolanischen Volk so mitzuteilen? Beispiele:
Präsident Macron aus Frankreich, Zitat: „Die Venezolaner haben das Recht, ihren Willen frei und demokratisch auszudrücken“, sprach der Mann umhüllt vom Tränengasnebel seiner unzufriedenen Bürger.
Jeremy Hunt, Außenminister aus Großbritannien, Zitat: „Das Volk von Venezuela hat genug gelitten. Es ist Zeit für einen Neuanfang“, sprach der Mann aus Brexit Country. (9)
Für Deutschland findet sich Außenminister Heiko Maas, Zitat: „Im Laufe dieses Tages kann nicht ausgeschlossen werden, dass es auf der Straße auch zu Ausschreitungen kommt“, warnte Maas nach einem Gespräch mit Pompeo in Washington. „Deshalb wollen wir alle einen Beitrag dazu leisten, dass wir hier nicht Gewalt auf der Straße sehen und Menschen zu Schaden kommen.“ Aktuell sei die Situation in Venezuela „sicherlich kritisch“, urteilte Maas. „Wir alle wollen nichts dazu beitragen, was dazu führt, dass die Lage weiter eskaliert.“ (10)
Maas traf Pompeo zwei Tage vor Verkündung des designierten Guaidó Coaches. Dem 23.01, dem Tag an dem die Tagesschau abends titelte, Zitat: Ein Land gegen Maduro. Die Opposition Venezuelas hat heute zu Massendemonstrationen gegen Staatschef Maduro aufgerufen. In der südvenezolanischen Stadt San Félix setzten Anwohner eine Statue des verstorbenen Präsidenten Hugo Chávez in Brand. (11)
Zur Deeskalation wird dann wenige Tage später eine US Marionette als Interimspräsident legitimiert und Regierungssprecher Seibert seiert noch gewohnt hinterher: Ich wollte ihnen nur sagen, die Lage in Venezuela bereitet uns natürlich große Sorgen. Der Ruf von Millionen in Venezuela nach Demokratie, nach der Möglichkeit das Schicksal ihres Landes in freien und fairen Wahlen zu bestimmen darf nicht länger ignoriert werden…(12)
Ja, in Deutschland wird frei gewählt. Die Leute besitzen die Möglichkeit ihr Schicksal frei zu bestimmen. Soweit so gut, also schlecht. Trotzdem erleben wir die Ignoranz seitens der Mächtigen. Der Ruf nach Demokratie klingt auch durch dieses reiche Land.
Bereitet Herrn Seibert die Situation in seinem Land ähnlich große Sorgen? Gibt es in diesem Land Probleme mit Privatisierungen, Stichwort Privat Public Partnership. Gibt es Armut, mangelnde Schulbildung. Bei den aktuellen PISA Ergebnissen liegt Deutschland auf Platz 13, noch. Engpässe in der medizinischen Versorgung, Korruption und Veruntreuung von Steuergeldern?
2018 vermeldete eine OECD Studie: In Deutschland sind Einkommensungleichheit und relative Armut in den vergangenen Jahren stärker gewachsen als im OECD-Schnitt. Alleinerziehende und Kinder überdurchschnittlich, Rentner dagegen unterdurchschnittlich von relativer Armut betroffen. Arbeitslosigkeit und stärkere Lohnspreizung wichtigste Ursachen für gestiegene relative Armut und Ungleichheit – Langzeitarmut ist in Deutschland vergleichsweise gering ausgeprägt. (13)
Na dann ist ja alles gut. Die Straßen auch nur voll beim Winterschlussverkauf, oder Karneval der Kulturen. Daher wahrscheinlich bis dato auch keinerlei Empfehlungen aus dem Ausland an die Bundesregierung. Neuwahlen und so. Kommen wir nochmal zu der Neigung der Bundesregierung andere Länder zu kritisieren. China ist ja auch ein regelmäßiger Kandidat.
Es findet sich ein chinesisches Sprichwort: Wer die Welt in Ordnung bringen will, gehe zuerst durchs eigene Haus.
Quellen:
- http://www.quetzal-leipzig.de/lateinamerika/venezuela/hugo-chavez-vom-putschisten-zum-gewahlten-prasidenten-19093.html
- http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Venezuela/15jahre.html
- https://www.nachdenkseiten.de/?p=49003
- https://grayzoneproject.com/2019/01/29/the-making-of-juan-guaido-how-the-us-regime-change-laboratory-created-venezuelas-coup-leader/
- https://www.spikednation.com/videos/juan-guaido-us-trained-regime-change-op
- https://www.youtube.com/watch?v=QGFuoxyOPxM
- https://www.state.gov/secretary/remarks/2019/01/288590.htm
- http://reinounido.embajada.gob.ve/index.php?option=com_content&view=article&id=1001%3Aafrican-union-expresses-its-support-for-president-maduro-and-rejects-attempted-coup-by-the-us&catid=3%3Anoticias-de-venezuela-en-el-mundo&Itemid=19&lang=en
- https://www.euractiv.de/section/eu-aussenpolitik/news/venezuela-eu-staaten-erkennen-guaido-an/
- https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/juan-guaido-erklaert-sich-zum-staatschef-venezuelas-16004781.html
- https://www.tagesschau.de/ausland/venezuela-maduro-proteste-101.html
- https://www.youtube.com/watch?v=RJMlrv3BHTQ
- http://www.oecd.org/germany/indeutschlandsindeinkommensungleichheitundrelativearmutundindenvergangenenjahrenstarkergewachsenalsimoecd-schnitt.htm
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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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