Geld regiert die Welt. Nur, wer regiert das Geld?
Wirtschaftsjournalist Ernst Wolff erklärt jeden Freitagmittag, um 12.00 Uhr, Begriffe, Mechanismen und Gesetze aus der Finanzbranche, die uns täglich als alternativlos verkauft werden, aber nur Wenige verstehen. Das soll sich ändern! THE WOLFF OF WALL STREET erklärt uns heute: „Schweizer Bankgeheimnis“.
Das Schweizer Bankgeheimnis hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich, und die hat vor allem mit drei Ländern zu tun: Frankreich, Deutschland und den USA.
Rechtlich verankert wurde das Schweizer Bankgeheimnis 1934 im „Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen“, das 1935 in Kraft trat. Existiert hat es aber schon lange vorher.
Schweizer Banken waren bei ausländischen Anlegern bereits im 19. Jahrhundert als besonders verschwiegen bekannt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, insbesondere während des 1. Weltkrieges, floss immer mehr europäisches Geld in die neutrale Schweiz.
Nach Kriegsende kam es dann zu zwei entscheidenden Entwicklungen: Zum einen fachte die Deutsche Reichsbank die Inflation so stark an, dass die Mark rasant an Wert verlor. Zum anderen wurde in Deutschland wegen der von den Siegermächten geforderten Reparationszahlungen ein schärferes Steuerrecht eingeführt. Die Folge war, dass immer mehr wohlhabende Deutsche ihr Geld in die Schweiz schafften.
Weil es dem deutschen Staat wegen der fehlenden Steuereinnahmen immer schwerer fiel, die Reparationszahlungen zu leisten, begann die Regierung in Berlin zusammen mit der französischen Regierung, die ja auch ein Interesse an diesen Zahlungen hatte, gegen die Kapitalflucht vorzugehen – und tatsächlich, nach Jahren erfolgloser Ermittlungen wurde 1932 in Paris der Direktor einer Basler Bank verhaftet – mit einer Kundenliste in der Tasche.
Viele glaubten damals, das Schweizer Bankgeheimnis sei damit erledigt. Sie wurden in ihrer Auffassung noch bestärkt, als ein Jahr später die Nationalsozialisten an die Macht kamen. Wegen des chronischen Devisenmangels infolge der Wirtschaftskrise und wegen der von ihnen betriebenen Aufrüstung stellte die NSDAP die Kapitalflucht unter hohe Strafen bis hin zur Todesstrafe.
Die Schweiz reagierte aber nicht etwa, in dem sie das Bankgeheimnis abschaffte, im Gegenteil: Sie erließ das Bankgesetz, das das Bekanntgeben von Kundendaten unter harte Strafen stellte und sorgte so dafür, dass anschließend über Jahrzehnte Geld nicht nur aus Deutschland und Frankreich, sondern aus aller Welt, in die Schweiz wandern und sich dort still und heimlich vermehren konnte.
Dass man auch Diktatoren aus Afrika, Asien und Südamerika als Kunden akzeptierte, zeigt übrigens, was von der Behauptung führender Schweizer Bankiers zu halten ist, das Bankgeheimnis sei aus humanitären Gründen, nämlich zum „Schutz jüdischer Vermögen vor den Nationalsozialisten“ eingeführt worden.
Gegen Ende des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts geriet das Schweizer Bankgeheimnis dann unter immer stärkeren Druck. Hintergrund war die Tatsache, dass die soziale Ungleichheit in der Welt explodierte, die Reichen immer höhere Summen in den Steueroasen der Welt versteckten und andere Länder sich dieses Geschäft nicht länger entgehen lassen wollten – insbesondere die USA, deren Großbanken zudem ein eminentes Interesse daran hatten, ihrer Schweizer Konkurrenz das Leben zu erschweren.
Natürlich gab man das in Washington nicht offen zu, sondern behauptete zunächst, sich für mehr Steuergerechtigkeit engagieren und die Steuerhinterziehung reicher Amerikaner eindämmen zu wollen. So hat der US-Kongress 2010 das Fatca-Gesetz (Gesetz zur Einhaltung der Steuervorschriften für Auslandskonten) verabschiedet, das außerhalb der USA gelegene Banken seitdem dazu verpflichtet, alle Kontodaten von US-Bürgern an die US-Steuerbehörde zu melden.
Das aber war nur der Auftakt. Im Rahmen der G8 und der G20 erwirkten die USA 2014, dass deren Mitglieder und die der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), darunter auch die Schweiz, einem Abkommen über den automatischen Informationsaustausch zustimmten.
Auf Grundlage dieses Abkommens verpflichten sich mittlerweile fast 100 Staaten, die Vermögensverhältnisse von ausländischen Staatsbürgern offenzulegen. Nur wenige Länder haben es nicht unterzeichnet – der Südseestaat Vanuatu, Paraguay, Libanon, Guatemala, Botswana, Bahrain und – die Vereinigten Staaten von Amerika.
Die USA haben tatsächlich ihre finanzielle Übermacht genutzt, um die Schweiz und den überwiegenden Teil der Welt zur Offenlegung des Steuergeheimnisses zu zwingen, die dazu durchgesetzten Vorschriften selbst aber nicht übernommen. Und das ist nicht alles: Vier ihrer Bundesstaaten, nämlich Delaware, Wyoming, South Dakota und Nevada, haben sich in den vergangenen Jahren auf Grund dieses Abkommens zu den größten Steuerparadiesen der Welt entwickelt.
Wen kann es da noch wundern, wenn man in Bankerkreisen heute von den USA als der „neuen Schweiz“ spricht?
Die Zeit ist reif für ein demokratisches Geldsystem!
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