Geld regiert die Welt. Nur, wer regiert das Geld?
Wirtschaftsjournalist Ernst Wolff erklärt jeden Freitagmittag, um 12.00 Uhr, Begriffe, Mechanismen und Gesetze aus der Finanzbranche, die uns täglich als alternativlos verkauft werden, aber nur Wenige verstehen. Das soll sich ändern! THE WOLFF OF WALL STREET erklärt uns heute: „Trennbankensystem”.
Nach dem 1. Weltkrieg kam es zu einem kreditgetriebenen Wirtschaftsboom, der das Gesicht eines ganzen Jahrzehnts, nämlich der „Goldenen Zwanziger Jahre“ geprägt hat. Damals vergaben die Geschäftsbanken aber nicht nur massenweise Kredite, sondern spekulierten zunehmend mit Wertpapieren und gingen damit immer höhere Risiken ein.
Im Oktober 1929 kam der Boom zu einem abrupten Ende: Der Jahrhundert-Crash an der New Yorker Börse führte zur Weltwirtschaftskrise und leitete die Große Depression der 30er Jahre ein. Eine der wichtigsten Folgen dieses Crashs für die USA war die Einführung eines Trennbankensystems.
Dazu wurde ein Gesetz, nämlich der Glass-Steagall-Act, erlassen, der das amerikanische Bankwesen ab 1933 in zwei voneinander unabhängige Bereiche unterteilte: Einerseits die Geschäftsbanken, die weiterhin das klassische Einlagen- und Kreditgeschäft betreiben durften und deren Kunden eine Einlagensicherung in Höhe von 100.000 Dollar garantiert wurde, andererseits die Investmentbanken, die mit Wertpapieren handeln, Börsengänge begleiten oder Vermögen verwalten durften – das alles ohne Einlagensicherung.
Warum wurde diese Trennung vorgenommen? Aus einem einfachen Grund: Zahlreiche nichtsahnende US-Bürger hatten nach dem Crash erfahren, dass ihre Bankguthaben sich in nichts aufgelöst hatten – entweder, weil ihre Bank nicht mehr existierte oder sie – ohne das Wissen ihrer Kunden – mit deren Geld spekuliert und alles verloren hatte.
Zusammen mit der um sich greifenden Arbeitslosigkeit und der daraus resultierenden Armut erzeugte das in der US-Bevölkerung einen erheblichen Unmut, der von den damals starken Gewerkschaften und zahlreichen politischen Organisationen aufgegriffen wurde und auf den die Regierung gezwungenermaßen reagierte.
Es waren also nicht etwa intellektuelle Einsicht oder Vernunft, die zum Trennbankensystem führten, sondern der Druck der sozialen und politischen Verhältnisse. Und natürlich gefiel den Banken diese Regelung nicht, denn im Investmentbereich sind wesentlich höhere Gewinne zu erzielen als im Geschäftsbankenbereich.
Doch schon wenig später kam es zum 2. Weltkrieg, an dem die US-Banken erneut durch Kreditvergabe hervorragend verdienten, und danach zum Nachkriegsboom, der ihr Geschäft weiter beflügelte. Als der Nachkriegsboom dann aber Mitte der 70er Jahre zu Ende ging, änderte sich das Bild: Die US-Banken begannen, über ihre Lobbyisten immer stärkeren Druck auf die Regierung in Washington auszuüben.
Die reagierte auch, indem sie den Glass-Steagall-Act schrittweise aufweichte, zunächst einige Passagen neu interpretierte, später Ausnahmen zuließ und den Geschäftsbanken schließlich erlaubte, in den Handel mit Wertpapieren einzusteigen.
Dann aber preschte ein anderes Land vor: Im Oktober 1986 kam es in Großbritannien zum Big Bang, dem finanzpolitischen „Urknall“. Die Regierung von Margaret Thatcher schaffte über Nacht die staatliche Überwachung von Kapitalbewegungen ab, hob die Trennung von Geschäftsbanken und Investmentbanken auf und erlaubte ausländischen Banken, sich in der City of London anzusiedeln.
Das setzte die Wallstreet und die US-Politik unter immensen Druck, auf den beide umgehend reagierten: Die Banken, indem sie sofort Tochterfirmen in London eröffneten und die Politik, indem sie die Deregulierung mit doppelter Kraft vorantrieb.
Eines der wichtigsten Resultate dieser Deregulierung war die Entstehung immer neuer Hedgefonds. Da sie fast unreguliert spekulieren durften, gründeten die Großbanken ganz einfach eigene Hedgefonds und lagerten die Geschäfte, die ihnen bis dahin verboten waren, in die Hedgefonds aus.
Auf diese Weise war der Glass-Steagall-Act eigentlich schon Geschichte, als er schließlich 1999 unter der Regierung von Bill Clinton endgültig abgeschafft wurde.
In jüngerer Zeit werden immer wieder Stimmen laut, die nicht nur die Wiedereinführung des Trennbankensystems in den USA, sondern seine Einführung auch in anderen Ländern fordern, um so die Macht der Finanzindustrie einzugrenzen.
Der Vorschlag hat allerdings wenig Aussicht auf Erfolg, denn er verkennt einen wichtigen Tatbestand: Die Finanzwelt von heute hat mit der der 30er Jahre nichts mehr gemein. Die Niedrig- und Nullzinsen der vergangenen Jahre haben das klassische Kreditgeschäft weitgehend zerstört. Im Zeitalter von Hedgefonds, Derivaten und Algorithmen-gesteuerten Großrechnern dienen mehr als 95 Prozent aller Finanztransaktionen weltweit der Spekulation.
Unter diesen Bedingungen ein Trennbankensystem einzuführen, ist in etwa so realistisch wie die Idee, die Gefahren eines Formel-1-Rennens durch die Einführung einer Fußgängerzone auf der Zielgeraden zu entschärfen.
Die Zeit ist reif für ein demokratisches Geldsystem!
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