Mobiltelefonie hat sich in kürzester Zeit als unersetzliche Kommunikationstechnologie durchgesetzt: Weltweit gibt es über sieben Milliarden Handynutzer. Ähnlich wie beim Rauchen können sich mögliche fatale Folgen jedoch erst nach Jahrzehnten der konstant erhöhten Strahlungseinwirkung zeigen. Die gerade in deutschen Kinos angelaufene Dokumentation THANK YOU FOR CALLING von Klaus Scheidsteger führt den Zuschauer hinter die Kulissen der internationalen Forschung, des Industrie-Lobbyismus sowie aktuell laufender Schadensersatz-Prozesse in den USA, die medial weitgehend unbeachtet bleiben. Scheidsteger skizziert die Verschleierungstaktiken und Manipulationstechniken der Mobilfunkindustrie und begleitet den Kampf einiger Wissenschaftler, die seit Jahren auf diesem Gebiet forschen, aber erst seit kurzem wirklich Gehör finden. Und gegen die die Mobilfunkgiganten seit Jahren alle verfügbaren Mittel der Verleumdung und Diskreditierung anwenden, um sie zum Schweigen zu bringen. Jens Wernicke sprach mit dem Filmemacher Klaus Scheidsteger zu Thema und Film.
Wernicke: Herr Scheidsteger, in „Thank you for calling“ zeichnen Sie ein düsteres Bild der Machenschaften der internationalen Mobilfunkindustrie. Warum ist das wichtig? Was geht mich und uns das an?
Scheidsteger: Mein Film zeigt im historischen Kontext, dass die MF-Industrie die Öffentlichkeit getäuscht hat, indem sie die ersten Warnhinweise der Wissenschaft nicht etwa ernst genommen, sondern von Anfang an bekämpft hat.
Als nämlich im Jahre 1994 erste Warnhinweise aus den Labors der Washington University auftauchten – da ging es um durch Handystrahlung verursachte DNA-Strangbrüche als Vorstufe zu Krebs! –, schaltete der MF-Pionier Motorola eine Lobby-Agentur ein, die weltweit operierenden Meinungsmacher von Burton Marsteller, die unter anderem auch Coca-Cola und McDonalds betreuen, ein.
Deren Strategie-Papier, War-Game-Memo genannt, lieferte die Regieanweisungen, die heute noch Gültigkeit haben: Wissenschaft anzweifeln, eigene Forschung finanzieren und mit den Ergebnissen Sicherheit vermitteln, notfalls Wissenschaftler diskreditieren, Medien gezielt informieren, Motto: „Es gibt kein Problem, wir haben alles im Griff!“, Reproduzierbarkeit der kritischen Studien anzweifeln.
Diese Zusammenhänge sind noch heute relevant und der Verbraucher wird in Sicherheit und Sorglosigkeit entlassen, wiewohl die eigentliche Studienlage mittlerweile erdrückend ist. Über 700 Studien weisen inzwischen die unterschiedlichsten Risiken für den Handynutzer aus. Nachzulesen etwa unter mobilfunk-studien.de.
W: Inzwischen gibt es nicht nur mehr Handyverträge als Menschen auf der Welt, die Mobilfunkindustrie ist zudem zu einem der mächtigsten Global Player mutiert…
S: Dies war eben nur möglich, weil die Gesundheitsrisiken heruntergespielt wurden. Die zweifellos vorhandene Faszination einer sich kontinuierlich weiterentwickelnden Technik hat natürlich bei der Verbreitung enorm geholfen.
W: Was wir heute alltäglich lesen über die Ungefährlichkeit und Sicherheit der mobilen Technologien – das ist … also alles nicht wahr?
S: Es kommt darauf an, wo Sie lesen. Wenn Sie sich die Seiten von Diagnose Funk, einem bestens strukturierten Verbraucherschutz-Verein, oder die Seiten der Kompetenz-Initiative anschauen, stehen dort die von hochkarätigen Wissenschaftlern aus aller Welt gefundenen Risiken ebenso wie verständlich aufbereitete Hinweise für die Verbraucher. Die Mainstream-Medien allerdings orientieren sich an den Informationen der Mobilfunk-Lobby, was dann zu besagter Desinformation führt…
W: Was genau sind denn die hart belegbaren Fakten, die dringend unter die Menschen gehören, weil Politik und Mainstream-Medien ihnen diese vorenthalten?
S: Die Unsicherheiten in der Öffentlichkeit sind nicht etwa auf unklare Forschungsergebnisse, sondern auf den beherrschenden Einfluss der Industrie auf Politik, Wissenschaft und Medien zurückzuführen.
Das EMF-Portal – EMF steht für Elektromagnetische Felder –, Referenzdatenbank der WHO und der deutschen Bundesregierung, listete Mitte August 2016 23.499 Publikationen auf, von denen 5.753 Zusammenfassungen erstellt wurden. Davon sind 1.269 aus dem Bereich des Mobilfunks, von denen ca. 700 Studien biologische Effekte nachweisen! Wie gesagt, alles nachzulesen unter mobilfunk-studien.de.
W: Um welche Krankheiten und Risiken geht es dabei genau und wodurch entstehen sie?
S: In den USA wurden am 27. Mai 2016 die ersten Teil-Ergebnisse der Studie des National Toxicology Program, der bisher umfassendsten Tierstudie – an Ratten – zu nicht-ionisierender Strahlung und Krebs, vorgestellt. Sie wurde von der Regierung der USA mit 25 Millionen Dollar finanziert.
Das Ergebnis der NTP-Studie lautet: Mobilfunkstrahlung kann zu Tumoren führen. In der bestrahlten Gruppe der männlichen Ratten wurden Tumoren gefunden, und bei einer zusätzlichen Anzahl von Ratten präkanzerogene Zellveränderungen. In der Kontrollgruppe entwickelten sich keine Tumoren.
Zudem ist auch die Studienlage zum Thema Schädigung der Reproduktionsorgane – also bezüglich Hoden, Spermien, Eierstöcke, Embryos – nicht nur umfangreich, sondern überaus brisant. 130 Studien liegen hierzu vor: 57 zu den männlichen Organen und 73 zu den weiblichen. 13 systematische Überblicksstudien – sogenannte Reviews – kommen zu dem Schluss, dass ein hohes Gefährdungspotential vorliegt.
Der neue Bericht des Otto-Hug-Strahleninstituts „Unterschätzte Gesundheitsgefahren durch Radioaktivität am Beispiel der Radarsoldaten“ befasst sich unter anderem mit den Wechselwirkungen von Radar- und Mobilfunkstrahlung. Er kommt zu dem Schluss:
„Die Exposition durch Radarstrahlen wurde bislang von offizieller Seite und von der Radarkommission nur dann für gesundheitsschädlich gehalten, wenn die Leistungsdichte der Strahlung im Gewebe zu einer messbaren Temperaturerhöhung führt. Inzwischen liegen jedoch zahlreiche Untersuchungen über Effekte durch den Mobilfunk vor, dessen hohe Frequenzen ebenfalls im Mikrowellenbereich liegen. Diese zeigen, dass es bei langanhaltender Exposition auch unterhalb der sogenannten Wärmeschwelle zu irreparablen und krankhaften Störungen wie zum Beispiel zu Unfruchtbarkeit kommen kann. Kombinationswirkungen zwischen der ionisierenden und der nicht-ionisierenden Strahlung sind ebenfalls als mögliche Ursache der multiplen Krankheitsphänomene anzusehen, die bei den Radarsoldaten und -beschäftigten zu beobachten sind.“
Dieser Wechselwirkung kommt aktuell große Bedeutung zu. Nicht nur bei Anwohnern in der Nähe von Flughäfen und Militäreinrichtungen. Denn etwa auch das selbstfahrende Auto soll sich über eine Kombination von Radar, LTE, WLAN, Bluetooth und GPS steuern, das heißt, es wird zu einer neuen flächendeckenden Belastung von Mensch und Umwelt durch eine Kombination verschiedener Frequenzen kommen.
Neu ist auch, dass im August 2016 die österreichische Allgemeine Unfallversicherungsanstalt den ATHEM-Report II „Untersuchung athermischer Wirkungen elektromagnetischer Felder im Mobilfunkbereich„, durchgeführt an der Medizinischen Universität Wien, veröffentlicht hat. Ein Anlass der Untersuchung war, dass in Italien das Kassationsgericht Rom, die höchste Gerichtsinstanz, erstmals den Gehirntumor eines Managers auf sein häufiges Mobiltelefonieren zurückgeführt hat. Der Kläger erhält hieraufhin eine 80prozentige Berufsunfähigkeitsrente zugesprochen.
Beim ATHEM-Projekt bestand ein Forschungsschwerpunkt aus Labor-Untersuchungen zum zellulären Mechanismus möglicher gentoxischer Wirkungen. Die Humanexperimente ergaben, dass, ich zitiere, die HF-EMF Exposition an Mundschleimhautzellen geringe gentoxische und zytotoxische Wirkungen hervorrufen kann. Bei Viel-Telefonierern fanden sich diskrete Hinweise auf die Kumulation der Wirkungen durch die Exposition“. Auch diese In-vitro-Ergebnisse bestätigen das Risikopotential.
W: Im Ihrem Film kommen auch Experten zu Rat, die klarstellen, dass die sogenannten SAR-Werte, die unsere Gesundheit als „Grenzwerte“ sicherstellen helfen sollen, so etwas wie ein cleverer Betrug sind – denn nicht nur schützen sie unsere Gesundheit nicht, fast alle Handys liegen um ein Vielfaches über den festgelegten Werten für vermeintliche Unbedenklichkeit.
S: Der SAR-Wert – er beträgt 2 Watt pro Kilogramm – mag uns vor thermischen Risiken schützen, so wurde er auch von der Industrie als Grenzwert deklariert. Die eigentlichen Probleme finden allerdings bereits weit unterhalt dieser Grenzwerte statt.
Hinzu kommt, dass es mittlerweile Messmethoden gibt, die aufzeigen, dass wir uns häufig weit oberhalb der 2-Watt-pro Kilogramm-Grenzwerte bewegen. Es ist wie beim Abgasskandal: Die Industrie gaukelt uns vor, wir bewegten uns im Rahmen sicherer Grenzwerte, aber die Wirklichkeit sieht in vielfacher Hinsicht anders aus. Auch dies zeigt mein Film.
W: Welche Bedeutung kommt im Kontext dieser Entwicklungen dem sogenannten „War Game Memo“, über das wir bereits kurz sprachen, zu?
S: Dieses Papier ist klassisch nicht öffentlich zugängig, sondern eigentlich nur Insidern bekannt und als Beweisstück bei Gericht hinterlegt. Ein führender Experte, Louis Slesin, der „Microwave News“ herausgibt, war selbst in dem Papier aus dem Jahr 1994 genannt und hat es auch zu Gesicht bekommen. Er hat regelmäßig über das War Gaming der Industrie berichtet. Die Strategien der Lobbyisten sind mittlerweile als Muster zu erkennen: jeder Wissenschaftler weltweit, der ein Problem gefunden hatte, bekam selbst eins! Im Film wird das ausführlicher dargestellt.
W: Gibt es auch deutsche Medien, die hier eine unrühmliche Rolle spielen? Und wenn ja: Hätten Sie ein konkretes Beispiel zur Hand?
S: Ein gutes Beispiel zeigt auch mein Film. Es handelt sich dabei um den sogenannten „Wiener Skandal“, den zum Beispiel der Spiegel in zwei größeren Geschichten aufbereitet hatte. Unter der Überschrift „Die Favoritin des Professors“ wurde unter anderem suggeriert, dass die Labor-Assistentin im Krebsforschung-Institut der Medizinischen Universität Wien die Daten aus lauter Liebe zum Professor gefälscht habe!
Obwohl zwischenzeitlich zwei Ethik-Kommissionen die Fälschungsvorwürfe aus dem Weg geräumt haben, obwohl eine Journalistin – Tina Goebel, damals noch bei profil – den angeblichen Fälschungsskandal als inszeniert entlarvte und obwohl zuletzt der Antreiber der Skandalbehauptungen und Helfershelfer der Industrie-Lobby, ein gewisser Alexander Lerchl, vor Gericht eine so deutliche Niederlage einstecken musste, wie man sie selten erlebt, haben es beispielsweise der Spiegel und auch ein anderes deutsches Presseorgan nicht einmal für nötig erachtet, die immer noch im Raum stehenden Vorwürfe zurückzunehmen.
W: Und die Weltgesundheitsorganisation? Die unternimmt doch unabhängige Untersuchungen und auch ihre Wissenschaftler haben über Jahre betont, die von Ihnen bemühten Argumente seien allesamt Humbug, eine Farce…
S: Für mich war es auf meiner langen Recherchereise in der Tat die WHO, die mich zuerst anzog. Denn dort saß ulkigerweise ein Mann, der als Wissenschaftler zuvor selbst ein themenspezifisches Problem aufgetan hatte und deshalb nun als erster Mensch eine neugegründete Position bei der WHO in Genf einnahm.
Dr. Mike Repacholi jedenfalls reiste nun plötzlich als EMF-Sonderbeauftragter der WHO durch die Welt und verkündetet die frohe Botschaft:“No problem!“ Der Mann trug dann auch noch dazu bei, dass der SAR-Grenzwert das Licht der Welt erblickte und trat als „kompetenter Wissenschaftler“ als Berater diverser Regierungen auf, immer unter der Vermittlung absoluter Sorgenfreiheit.
Als ich das erste Mal zu einem Vorgespräch bei ihm auftauchte und mich als völlig harmlos und eher fasziniert von seinem Job ausgab, verkündete er mir nach ca. 30 Minuten augenzwinkernd, sein Job werde von der Industrie finanziert… Und dass seine eigene Studie ja nicht wirklich Hand und Fuß gehabt hätte, sondern kritisch zu bewerten sei.
W: Der Mann war also … gekauft? Gibt es Belege dafür?
S: Es war wiederum Louis Slesin, „Microwave News“, der den Mann auffliegen ließ, als ein von der Industrie mit 200.000 Dollar im Jahr, plus Reiskosten und Spesen, bezahlter Lobbyist.
Repacholi nahm daraufhin seinen Hut und ist seither – nun aber immerhin offiziell – als Industrie-Berater tätig. Häufig im Doppelpass mit anderen „Industry-puppets“, wie etwa zuvor genanntem Herrn Lerchl, und natürlich weiterhin eifriger Verfechter der „No Problem-Saga“.
W: Haben Sie selbst keine Angst, nun von den größten Unternehmen der Welt unter Feuer genommen zu werden? Ich meine: Gewisse Dinge sollen nicht in Umlauf gebracht werden…
S: Mit Angst lässt sich nichts erreichen. Mein Film lief bereits in Österreich und wurde natürlich unter anderem auch mit Schmutz aus einer bestimmten Ecke beworfen. Herr Lerchl wurde eigens von der Mobilfunklobby, in Österreich organisiert im Forum Mobil Kommunikation, eingeflogen und war sich nicht zu schade, im Auftrag eben dieser ein eigenes Filmchen zu erstellen, in dem er unter anderem seine Fälschungsvorwürfe gegen die Wiener Forscher wiederholte und versuchte, meinen Film zu diskreditieren.
In gewisser Weise ist Lerchl der perfekte „War Gamer“ für die Industrie, obwohl es ihm aktuell bereits ein weiteres Mal an den Kragen geht. Denn die der Fälschung bezichtigte, ehemalige Technische Assistentin der Universität Wien, die damals Gegenstand des „Wiener Skandals“ war, geht gerade erneut juristisch gegen den Mann und sein filmisches Werk vor – und angesichts des ersten Urteils zur Sache stehen die Chancen wohl äußerst gut, dass sie einen weiteren Sieg davontragen wird.
Bereits in diesem hieß es zur Sache nämlich in aller Deutlichkeit:
„Die zulässige Klage ist begründet. Es kann dahinstehen, ob die Klage bereits deswegen erfolgreich ist, weil die Klägerin sich auf Anonymitätsschutz berufen kann, mit der Folge, dass selbst die Äußerung eines Verdachtes unzulässig wäre. Eine Entscheidung hierüber kann jedoch offenbleiben, da prozessual von der Unwahrheit des in Rede stehenden Fälschungsvorwurfs auszugehen ist. Die umstrittenen Äußerungen verletzen daher die Klägerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (…). Bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen und solche, deren Unwahrheit bereits im Zeitpunkt der Äußerung feststeht, müssen nicht hingenommen werden (…).“
Auf der anderen Seite freue ich mich über ein großes positives Medien-Echo, das auf unserer Homepage zum Film unter ty4c.com eingesehen werden kann. Dort können Sie so einiges finden, was dadurch, dass es eine Öffentlichkeit bekommen hat, auch zu meinem Schutz geeignet ist.
Auch bin ich natürlich juristisch in besten Händen, denn alle Dokumente sind hinterlegt und ich denke, ich bin inzwischen auch längst zu weit gekommen, als dass ich jetzt noch einfach „unter Feuer“ geraten könnte. Während der Entstehung des Films war ich da deutlich sorgenvoller … und auch sehr vorsichtig!
W: Was macht Ihnen Hoffnung, was denken Sie, wie die Entwicklungen weitergehen?
S: Hoffnung macht mir der erdrückende Stand der Wissenschaft. Wie formulierte es der Richter in Washington D.C. in seiner Order, die ich im Film zeige, so treffend? „… eine verantwortungsvolle Gesellschaft kann das durch die Wissenschaft aufgezeigte Risiko nicht mehr ignorieren.“
Wir stehen hier meiner Einschätzung nach vor einem grundlegenden Paradigmen-Wechsel. Und wenn die Lerchls und Repacholis dieser Welt weiter auffliegen, kann auch der Mainstream das nicht mehr länger ignorieren.
W: Ist es bei den Mobilfunkriesen nicht inzwischen ähnlich wie einst bei der Tabakindustrie und heute bei den Banken und Automobilherstellern: sie alle sind, wie sagt man so schön, „too big to fail“, was in aller Regel umschreibt, dass es sich um hochkriminelle Vereinigungen mit immenser Macht handelt, denen auch die Politik nicht wirklich auf die Füße zu treten wagt?
S: Es ist ein Teufelskreis: Über die Risiken der Mobilfunktechnologien werden die Verbraucher von den Gesundheitsbehörden zu wenig informiert, eine dringend notwendige Vorsorgepolitik wird nicht eingeleitet.
Für die Lizenzen hat der deutsche Staat bisher 55 Milliarden Euro eingenommen, aber der Staat zieht nicht nur finanziellen Nutzen. Der gesamte Überwachungsapparat basiert auf den Daten, die von jedem Nutzer abgespeichert werden, der auch noch monatlich brav dafür zahlt … und die Industrie nutzt die digitalen Profile zu personalisierter Werbung, um Konsum und Wachstum zu steigern.
Diese Interessen erklären, warum die Staaten mit den Mobilfunkbetreibern üblicherweise gemeinsame Sache machen und die Bevölkerungen nicht vor den Risiken geschützt werden. Und ja, dementsprechend ist die Industrie am Ende des Tages „too big to fail“ … und vielleicht sogar „too rich to jail“. Wir werden sehen, ich bleibe dran!
W: Was können wir als Zivilgesellschaft im Rahmen dieser Problematik tun? Womit kann man die Aufklärung in dieser Sache oder die Betroffenen unterstützen? Und was auch selbst gegen die Gesundheitsgefahren durch zu hohe Strahlung tun?
S: Wir persönlich können zum Beispiel einfache Vorsorge-Maßnahmen berücksichtigen, keine langen Gespräche, Abstand zum Körper etc. – weniger ist mehr. Das Ding auch mal ausschalten, zumal in der Nacht. Einfach mal in sich hineinsehen und überprüfen: Habe ich das Handy im Griff oder das Handy längst mich?
Und wir sollten unsere Kinder zu einem vernünftigen Umgang erziehen, beispielsweise Spiele nur im Flugmodus zu spielen usf. Die Wiener Ärztekammer hat diesbezüglich 10 Handregeln aufgelegt, die sich jeder im Internet anschauen kann. Und auch ein Film zur AUVA-Studie wurde inzwischen online veröffentlicht.
Derlei Arbeit ist natürlich wichtig, und auch der Film Thank You For Calling hat sicher verdient, gesehen zu werden. Ich merke bisher, dass er die Menschen bewegt und nachdenklich stimmt, die Aufklärung zur Sache also beflügelt. Und genau das war mein Anliegen, mein Ziel.
W: Ich bedanke mich für das Gespräch.
Klaus Scheidsteger, Jahrgang 1954, studierte Journalistik mit Nebenfach Politik an der Universität Dortmund. Ab 1985 Gründung einer freien TV-Produktion, Autor und Produzent und Dienstleister für alle großen Sender, Schwerpunkt dann ab Ende der 90er Jahre: arte. Im Jahr 2004 begann er mit ersten Recherchen zum Thema Mobilfunk, die in eine 50-minütige Auftragsproduktion des Senders France2, PORTABLES EN ACCUSATION, mündeten. Weitere Recherchen zu laufenden Verfahren in den USA führten zur Produktion des Kino-Dokumentarfilms THANK YOU FOR CALLING, für den er zurzeit auf Promotion-Tour durch Deutschland unterwegs ist. Scheidsteger lebt in Frankreich und Österreich. Er ist Produzent diverser Industriefilme und arbeitet ebenfalls als Medienberater.
Das Interview erschien in den NachDenkSeiten am 10.10.2016.
Hier der Link zum Text: nachdenkseiten.de/?p=35341
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