Trans: Ideologie versus Realität

Ein Meinungsbeitrag von Anne Burger. 

Der Angeklagte hat zwar recht, aber dem Gericht gefällt die Meinung des Klägers einfach besser: Im Bereich Frauenrechte ist nun eine neue Stufe erreicht: es wird nicht nur bestraft zu sagen, was man meint, sondern auch zu sagen, was ist. Nius in Deutschland, Giggle in Australien und viele mehr: wer einen Menschen mit Hoden biologisch korrekt als Mann bezeichnet, kann mit empfindlichen Strafen rechnen. Warum dies weit über das konkrete Urteil hinaus wichtig ist.

Julian Reichelt hat vor Gericht verloren: Weil er den weiblich identifizierten Menschen mit Penis und Hoden, der derzeit seinen Zugang zu einem Frauen-Fitness-Studio einklagt, als Mann bezeichnet hat, wurde er vom Landgericht Frankfurt verurteilt. Begründung:

„Die Bezeichnung einer Frau [sic!] als Mann und die Verwendung des männlichen Geschlechts bzw. Pronomens in Bezug auf eine Frau stellen einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und einen Angriff auf ihre Menschenwürde dar.“ (1)

Auch in Australien urteilte ein Gericht entgegen den Tatsachen der Biologie: Ein Mensch könne tatsächlich sein Geschlecht ändern (nicht nur den Geschlechstseintrag), so konnte die überraschte Öffentlichkeit vernehmen. (2) Deshalb darf man einer klagenden „Frau“ den Zugang zu Giggle, einer Online-Plattform für Frauen, nicht verbieten – egal ob jeder Mensch mit Gehirn diese Person als männlich erkennen kann oder nicht. Und auch unabhängig von der Definition „männlich“ im Lexikon: „Dem Spermien oder Pollen bildenden Geschlecht zugehörig“ (3), das für die beiden oben genannten Menschen mit ihren Hoden zweifelsohne zutrifft.

In der Öffentlichkeit wird das Thema weitgehend übersehen: Es sind ja nur ein paar ganz wenige Männer, sagt man halt „Frau“ zu ihm (3), wo ist da das Problem? Krieg, Migration, Klimawandel: haben diese Feministinnen echt keine anderen Probleme als die korrekte Bezeichnung für einen Menschen mit Penis in der Hose und Stöckelschuhen an den Füßen? Kann man doch mal nett sein. Also echt jetzt. Verbissene, intolerante Emanzen.

Toleranz, die nur in eine Richtung läuft

So konnte abseits aller Augen ein System entstehen, das sich zwar in großen Lettern Toleranz und Vielfalt auf die Fahnen schreibt, damit aber nur Toleranz gegenüber den eigenen Meinungen und der eigenen Vielfalt meint. Vertritt jemand eine andere Meinung, so hat es sich gehabt mit der Toleranz. Dann gibt es gnadenlos Gerichtsprozesse und Shitstorms. Und Vielfalt der Ansichten? Aber echt nicht. „No debate“ ist der Slogan. Um die SPD zu zitieren: „Transfrauen sind Frauen. Punkt.“

Gottes Erdboden ist groß, vielleicht gibt es wirklich einzelne Menschen, die keinen Unterschied erkennen können zwischen einer Frau und einem Mann, der gerne eine wäre. Aber für die überwältigende Mehrheit trifft das nicht zu. Menschen sind erstaunlich gut darin, Männer von Frauen zu unterscheiden, automatisch und in Sekundenbruchteilen. Das hat wohl evolutorische Gründe, Fortpflanzung ist schlichtweg einfacher, wenn man nicht erstmal wahllos herumprobieren muss. Es ist aber auch eine Frage der Sicherheit. Männer stellen ein höheres Gewaltrisiko dar, sowohl für andere Männer, aber besonders für Frauen. Anders als auf Insta-Bildern mit einstudierter Pose und jeder Menge Filter kann ein Mann in der Realität schwerlich als Frau durchgehen – selbst wenn dieser oft mehr als ein Dutzend Schönheitsoperationen hinter sich hat. Und das ist auch gut so. Statistiken aus England und den USA zeigen, dass Transfrauen sogar eine deutlich höhere Rate an Sexualstraftaten aufweisen als normale Männer. (4)

Wenn wir also eine Transfrau (das ist ein biologischer Mann) weiblich bezeichnen, dann ist das erstmal ein Akt der Freundlichkeit, wir spielen mit und tun so, als ob. Was ja auch völlig in Ordnung wäre, wenn die Geschichte hier ein Ende hätte. Hat sie aber nicht. Aus der Freundlichkeit wurde ein Anspruch und aus diesem das Selbstbestimmungsgesetz. Und jetzt finden sich Menschen vor Gericht wieder, wenn sie in bestimmten Situationen die Wahrheit aussprechen wollen: Dieser Mensch ist männlich.

Franz Kafka hätte aus so etwas sicher ein großartiges Stück machen können. Vom Gast, den man gerne aufnimmt, der dann beginnt zu fordern und der Gastgeberin später erklärt, er sei der eigentliche Hausherr hier, sie aber nur eine menstruierende Person mit Uterus. Von der Öffentlichkeit, die die Hausherrin als unsozial und ekelhaft geißelt, wenn sie sagt, duschen wolle sie aber nicht gemeinsam mit dem Gast. Und von den Gerichten, die jeden verurteilen, der die Herrschaft (oder in dem Fall Frauschaft?) des ehemals freundlich Aufgenommenen anzweifelt.

Als Frau leben?

Wir aber hören, der Mann sei eine Frau, weil er ja „als Frau lebe“. Was soll das denn sein, als Frau leben? Es gibt bestimmte Erfahrungen, die können nur Frauen machen. Schwanger werden. Monatsblutungen. Hitzewallungen während der Wechseljahre. All dies wird ein Mann niemals erleben. Nie. Denn er hat xy-Chromosomen. Dann gibt es noch die sexistischen Stereotype. Lange Haare, Nagellack, Stöckelschuhe. Aber es will doch niemand ernsthaft behaupten eine Frau mit kurzen Haaren, Hosen und bequemen Schuhen würde dadurch ihr Frausein verlieren. Jeder Mann kann tragen, was er will. Das ist es nicht, was ihn zu Mann oder Frau macht. Es sind weder die weiblichen Erfahrungen noch die weiblichen Attribute.

Was Transfrauen laut Sexualwissenschaftlern als urweiblich an sich erleben, sind Masturbationsfantasien von sich selbst als Frau. Die eine ungeheuerlich große Macht auf den Mann ausüben können. (5) Sexualität ist Privatsache, sie gehört nicht in die Öffentlichkeit gezerrt. Aber jeder Mensch ist voll verantwortlich dafür, wie er mit seinem Trieb umgeht – in öffentlichen Räumen und erst recht im Bezug auf andere Menschen.

Mit einem Autor wie Kafka hätten es vermutlich mehr Menschen verstanden, warum Männer, die sich zu Frauen erklären und das gerichtlich durchsetzen, nicht nur eine unwichtige Erscheinung am Rande der Gesellschaft sind. Sondern ein fundamentaler Angriff auf die Wahrheit. Das Geschlecht wird im Moment der Zeugung festgelegt und ist unabänderlich. Bis in jede einzelne Zelle des Körpers hinein. Man kann draußen kosmetisch herumschnippeln, man kann so tun, als ob, aber der Kern bleibt das, was er ab der ersten Sekunde des Seins war.

Lügen müssen ist demütigend

Das Selbstbestimmungsgesetz zwingt uns jetzt dazu, etwas zu sagen, was faktisch falsch ist. Und zwar nicht nur, wenn wir das wollen, sondern wann immer der biologische Mann das so will. Auch gegen unseren Willen. Wir müssen – egal in welch übergriffigen Situationen, egal, ob wir von Sport, Gefängnisaufenthalten oder dem allerwichtigsten: der Kindererziehung reden, so tun, als gäbe es ihn nicht, den biologischen Unterschied. Klar darf man einem Kind noch erklären, was eine Gebärmutter ist und was Hoden sind, aber wer sagt, dass nur Männer Hoden haben, der bekommt ein Problem. Von einer sehr klagefreudigen Translobby. Welche Biologielehrerin würde sich da noch trauen? Kinder werden in Zukunft lernen, dass auch Frauen einen Penis haben können. Abgesehen davon, dass ein großer Teil das schon jetzt lernt.

Mit Toleranz und Vielfalt hat Transideologie nichts zu tun. Ohne Meinungsfreiheit kann eine Demokratie nicht funktionieren. Es muss Menschen geben dürfen, die Transfrauen für Frauen halten – und auch solche, die sagen: aber wirklich nicht. Das noch tiefere Fundament der Demokratie aber ist die Realität. Ein Verbot, die Wahrheit auszusprechen, ist eine tiefe Demütigung. Und es macht es nur unwesentlich besser, wenn Reichelt auch in Zukunft von einer Mit-Glied-Schaft des betroffenen Menschen sprechen darf. Einen Mann darf er ihn nicht mehr nennen. Wenn faktische Gegebenheiten nicht benannt werden dürfen, dann haben wir ein großes Problem. Und zwar alle.

Quellen und Anmerkungen

(1) https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/lg-frankfurt-203o27524-trans-frau-fitnessstudio-nius-reichelt

(2) https://www.judgments.fedcourt.gov.au/judgments/Judgments/fca/single/2024/2024fca0960

(3) https://brockhaus.de/ecs/enzy/results?search=m%C3%A4nnlich&category=article&audience=adult

(4) (Ihm dem Menschen, nicht ihm dem Mann. Denn wer will schon einen Prozess am Hals?)

(5) https://committees.parliament.uk/writtenevidence/18973/html/

(6) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2894986/

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Wir danken der Autorin für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bildquelle: michaelheim / shutterstock

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Kommentare (6)

6 Kommentare zu: “Trans: Ideologie versus Realität

  1. HallOfFrame sagt:

    ich zitier hier mal:
    “`
    Das Geschlecht wird im Moment der Zeugung festgelegt und ist unabänderlich. Bis in jede einzelne Zelle des Körpers hinein.
    “`

    Das ist wissenschaftlich gesehen totaler Unsinn. Das 'Geschlecht' ist gegenstand von Forschung. Zellen haben kein Geschlecht. Es gibt Maenner mit doppel-X-Chromosomen und Frauen mit XY – schockierend, aber wahr.

    Es kann ja sein, dass sie als Autor ganz bestimmte Vorstellungen haben, aber diese als einzige Wahrheit hinzustellen, ist wissenschaftlich gesehen sinnfrei (um es nett zu formulieren).

    Selbstverstaendlich hat der Begriff 'Geschlecht' eine biologosche Bedeutung im Hinblick auf geschlechtliche Fortpflanzung. Aber seit vielen 100000 Jahren hat die kulturelle Entwicklung des Menschen die biologische ueberholt. 'Geschlecht' hat deshalb auch eine kulturelle Bedeutung. Sie koennen das in so vielen verschiedenen Kulturen beobachten.

    Wie unsachlich die Kritik manchmal ist, sieht man gut hieran: Transfrauen und Transmaenner zweifeln in der Regel nicht die Existens des weiblichen oder Maennlichen Geschlechts an – im gegenteil: sie zaehlen sich selbst zu einem der beiden. Zu behaupten, dass es nun keine Maenner und Frauen mehr gaebe (als Begriff), nur weil cis-Menschen trans-Menschen so respektieren wie diese sich selber respektiert sehen moechte, ist einfach demagogie. Es wird eine Schlussvollgerung gezogen, die aus der Luft gegriffen ist und die der allg. Wahrnehmung schlichtweg widerspricht. Da muss doch jeder widersprechen, oder?

    Mit kommt es manchmal so vor, als verhalten sich intelligente Menschen ploetzlich wie Kleinkindern im Sandkasten, denen das Buddelspielzeug weg genommen wurde, nur weil die Begriffe Mann und Frau nicht mehr so sind, wie es uns in der 7. klasse im Biounterricht erklaert wurde. Tut mir echt leid, dass die Wirklichkeit halt etwas komplizierter ist.

  2. Führt die Toleranz dann letztlich zu einer Unterwerfung? Wenn ich meine Meinung nicht mehr äußern darf, dann ist mein Gegenüber intolerant, gewalttätig und übergriffig.
    Wenn meine Meinung ihn verletzt, dann ist es das menschlich-normale Verhalten,vdiesen Konflikt auszuduskutieten. Verbote hingegen führen nur dazu, dass man seine Meinung nicht ändert, sie nur nicht mehr öffentlich äußert. Das aber hat mit Demokratie nichts zu tun, das ist Diktatur. Und letztlich führt sie zu genau dem, was wir gerade sehen: Hinwendung zu ultrakonservativen Ideen. Somit hat in meinen Augen der Wokeismus genau das Gegenteil von dem erreicht, was er erreichen wollte? Die Diskussion über 100e Geschlechter bringt meines Erachtens nicht weiter, zumal sie Implikationen hat, die nicht abzusehen sind. Wie soll denn eine Sprache mit mehr als 3 Geschlechtern umgehen, von denen eines nicht mal ein biologisches ist? Haben wir dann 40 verschiedene Artikel? Der, dere, derie, dieer, diere, die …
    Und wie bitte soll man in der persönlichen Kommunikation damit umgehen? Findet die dann aus Angst vor Repressalien nicht mehr statt? Von Duschräumen und Toiletten ganz zu schweigen. Und Gerichte damit zu belangen, macht in meinen Augen auch keinen Sinn, außer, das wir die vorhin beschriebene Tendenz des Rückzugs verstärken. Toleranz ist keine Einbahnstraße. Wenn von mir jemand Toleranz einfordert, muss er gleiche mir gegenüber erweisen. Ich bin nicht mehr und nicht weniger wert als er.

  3. addcc sagt:

    Dass die herrschende Klasse in Deutschland selbst nicht glaubt, dass die Biologie der letzten zig Mio. Jahre nur falsch verstanden wurde, merkt man daran, dass im Kriegsfall alle Transfrauen wieder als Männer gelten und sich der Einberufung nicht entziehen können.

  4. fdik sagt:

    Ein Staatsapparat einschliesslich Gerichte, der einen solchen Unsinn macht, gilt es in diesem Punkt zu ignorieren. Die Mächtigen können dann einen Einzelnen verurteilen und quälen, um die Anderen zu erziehen. Wenn jene Anderen jedoch für diesen Einzelnen zusammen stehen, können sie rein gar nichts machen. Hier endet ihre Macht.

    Wer hier mitspielt, wird dagegen zum Teil des Problems. Er stützt die Unverschämtheit der Mächtigen und ihre Übergriffigkeit.

    Die Deutschen müssen endlich lernen, ihren Untertanengeist abzulegen. Die Mächtigen werden niemals freundlicher, sondern immer nur weiter übergriffig, soweit, wie alle mitspielen. Das sieht man doch an der deutschen Geschichte, so wie an der Geschichte aller Völker.

  5. _Box sagt:

    Ablenkgebahren der Herdentreiber (natürlich für die Herdenbesitzer) vs. Realität:

    Die herrschende Klasse fördert Identitätspolitik und "Anti-Wokeismus" aus genau denselben Gründen
    Caitlin Johnstone
    Dezember 17, 2022

    Es ist eine interessante Zeit für Ablenkungsmanöver im Kulturkampf im Schatten des Imperiums. Derzeit finden keine großen Wahlkämpfe statt. Die Covid-Vorschriften der Regierung wurden größtenteils zurückgenommen. Das Imperium führt einen extrem gefährlichen und ständig eskalierenden Stellvertreterkrieg mit Russland, der sehr genau unter die Lupe genommen werden sollte. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man annehmen, dass dies eine Zeit ist, in der die breite Öffentlichkeit ein bisschen weniger bellen und knurren und ein bisschen mehr auf die Verantwortlichen einreden würde.

    Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man annehmen, dass dies eine Zeit ist, in der die breite Öffentlichkeit ein bisschen weniger bellen und knurren und ein bisschen mehr auf die Verantwortlichen einreden würde.

    Aber wenn man dies liest, weiß man es wahrscheinlich besser.

    Die Welt dröhnt in Richtung Multipolarität, und das Imperium tut alles, was es kann, um auf die Bremse zu treten, bis hin zu einer globalen Konfrontation mit nicht-konformen, nuklear bewaffneten Mächten, und in der Zwischenzeit wächst die Unzufriedenheit der Öffentlichkeit mit stagnierenden Löhnen und steigender Ungleichheit, während die Sorge wächst, dass wir auf einen ökologischen Kollaps zusteuern.

    An diesem entscheidenden Punkt der Geschichte streiten sich natürlich alle über das "Wachsein".

    "Entweder ist der Woke Mind-Virus besiegt oder alles andere ist unwichtig"
    – Elon Musk (@elonmusk) December 12, 2022

    Was "woke" bedeutet, hängt davon ab, wen Sie fragen. Nach der ursprünglichen AAVE-Definition bedeutet es "aufmerksam gegenüber rassistischen Vorurteilen und Diskriminierung". Fragt man die Anwälte von Ron DeSantis, als sie den Begriff vor Gericht definieren mussten, bedeutet es "die Überzeugung, dass es in der amerikanischen Gesellschaft systembedingte Ungerechtigkeiten gibt und dass diese angegangen werden müssen". Beides klingt völlig vernünftig.

    Fragt man jedoch Mitglieder des rechten Flügels, so reichen die Antworten von inkohärent über wahnsinnig bigott bis hin zu zutiefst dumm. Man hört Geschwafel über "Kulturmarxismus" (den es nicht gibt), über kommunistische Verschwörungen, die darauf abzielen, Ihrem Kind Pubertätsblocker und geschlechtsangleichende Operationen zu verabreichen, über eine liberale Verschwörung, die darauf abzielt, Kindesmissbrauch zu normalisieren und Frauen als Geschlecht auszulöschen, und über die Absicht, die Gesellschaft zu verschlechtern und die westliche Kultur in Chaos und Unordnung zu stürzen, weil das Satan glücklich macht. Meiner Erfahrung nach sind die Argumente oft sehr emotional – sogar hysterisch -, aber völlig inhaltslos.

    Gelegentlich stößt man auch auf gutgläubige Akteure, die aufrichtig glauben, dass der "Wokeismus" aggressiv bekämpft werden muss, weil die Besessenheit von rassischer und sexueller Gerechtigkeit den Sauerstoff für wichtigere Angelegenheiten aus dem Raum saugt und als Waffe benutzt wird, um schädliche, auf Macht ausgerichtete Agenden durchzusetzen. Ich spreche hier vor allem diese Kategorie an, weil ich die vorherige Kategorie im Allgemeinen für unrettbar halte.

    Es ist völlig richtig, dass die Identitätspolitik dazu benutzt wird, dem Establishment dienende Agenden durchzusetzen und echten Dissens zu untergraben. Ein sehr deutliches Beispiel dafür sahen wir 2016 mit dem extrem aggressiven Vorstoß, Amerikas erste Frau zur Präsidentin zu wählen, als jeder, der auf ihre erschreckend schreckliche Erfolgsbilanz in Dingen wie Krieg und Militarismus hinwies, als Frauenfeind beschimpft wurde. Die gesamte Demokratische Partei ist im Grunde ein einziger großer Psyop, der darauf abzielt, jeden Versuch, Einkommens- und Vermögensungleichheit, Armut, Kriege, Militarismus, Geld in der Politik, Überwachung, Staatsgeheimnis, Militarisierung der Polizei und jeden anderen Kontrollmechanismus, der dazu dient, den Status quo aufrechtzuerhalten, im Keim zu ersticken, während jeder revolutionäre Zeitgeist mit falschen Versprechungen, das Leben für Frauen und Randgruppen zu verbessern, in Richtung Establishment-Loyalität zurückgetrieben wird.

    Aber es ist auch wahr, dass die Energie, die man in den "Antiwokeismus" steckt, dem Establishment genau so dient wie die Energie, die man in die Identitätspolitik steckt.

    Anti-Wokeismus – wenn Sie mir eine etwas kontraintuitive Wendung gestatten – ist Identitätspolitik im Kostüm. Die Fixierung auf den Kampf gegen das "Erwachtsein" drängt die Menschen in den Rahmen des Mainstreams, der dem Establishment dient, und zwar auf genau dieselbe Weise, wie die Identitätspolitik die Menschen in den Rahmen des Mainstreams drängt, der dem Establishment dient. Sie sorgt dafür, dass die breite Öffentlichkeit damit beschäftigt ist, sich gegenseitig anzubellen und anzufauchen, anstatt die Verantwortlichen zu beschimpfen.

    Erscheint es Ihnen nicht seltsam, dass die eine Hälfte der herrschenden Klasse die Hälfte der Bevölkerung dazu gebracht hat, sich auf Identitätspolitik zu fixieren, während die andere Hälfte die Hälfte der Bevölkerung zunehmend in Panik über "Wokeness" versetzt hat? Erscheint es Ihnen nicht ein wenig zu bequem, dass alle Politiker des rechten Mainstreams den Anti-Wokeismus zu einem Hauptbestandteil ihrer Programme machen, dass alle Experten des rechten Mainstreams alles tun, was sie können, um ihr Publikum noch mehr in Panik darüber zu versetzen, wie "wach" alles wird, und dass Elon Musk über den "Virus des woke mind" spricht, und zwar auf genau die gleiche Weise, wie liberalere Oligarchen für soziale Gerechtigkeit eintreten?

    Das liegt daran, dass sowohl der Anti-Wokeismus als auch die Identitätspolitik denselben Zielen des Establishments dienen, und zwar ganz bewusst. Je mehr die Menschen auf den Mainstream-Kulturkrieg fixiert sind, desto unwahrscheinlicher ist es, dass sie sich dazu entschließen, Dinge zu tun wie dem Pentagon die Finanzierung zu entziehen oder alles zurückzunehmen, was die Reichen ihnen gestohlen haben. Die Zeit, die man damit verbringt, die andere Seite der kulturellen Kluft anzuschreien, ist Zeit, die man nicht damit verbringt, seinen Vermieter zu essen, wie Gott und die Natur es vorgesehen haben.

    https://caitlinjohnstone.com/2022/12/17/the-ruling-class-promotes-identity-politics-and-anti-wokeism-for-the-exact-same-reasons/

    Nettes Nebendetail:

    So macht Nius seine Beiträge zur «Stimme der Mehrheit»

    «Themen, die Millionen Deutsche bewegen und ihren Alltag betreffen, aber anderswo viel zu selten berichtet werden, werden bei NIUS eine Heimat finden»: Das verspricht Nius auf seiner Website und schiebt gleich ein Umfrage-Ergebnis nach: Etwa die Hälfte der Deutschen stimmt dieser Aussage zu: «Ich befürchte negative Konsequenzen, wenn ich meine Meinung zu bestimmten Themen frei äussere.» Gleiches gilt für: «Ich habe das Gefühl, dass es in Deutschland keine Meinungsfreiheit (mehr) gibt.»

    Die Umfrage durchgeführt hat das eher kleine deutsche Meinungsforschungsinstitut Insa, dessen politische Neutralität schon mehrmals angezweifelt worden ist. Das Unternehmen macht neben Umfragen für Bild und Focus auch politische Umfragen für die rechtskonservative Junge Freiheit. Der Geschäftsführer Hermann Binkert hat offensichtlich Verbindungen zur Partei AfD.

    Chefredaktor von Nius ist Jan David Sutthoff. Laut eigenen Angaben ist er professioneller «Redaktions-Manager». Er will «zusammen mit anderen tollen Journalisten die neue politisch-gesellschaftliche Medienmarke Nius aufbauen».

    Nius bietet derzeit einen Teil der Inhalte gratis an. Wer das ganze Angebot und keine Werbung möchte, zahlt 79.99 Euro pro Jahr.

    Finanziert wird die Plattform vom deutschen Milliardär Frank Gotthardt. Sein Geld verdiente er vor allem mit Software für Ärzte.

    Aus:
    Bereits Klage wegen Volksverhetzung: Nachrichten-Portal Nius
    Esther Diener-Morscher / 20.07.2023 Die deutsche Online-Zeitung wettert gegen Ausländer, Klimaschutz und Transmenschen. Und behauptet, die Stimme der Mehrheit zu sein.
    https://www.infosperber.ch/medien/medienkritik/bereits-klage-wegen-volksverhetzung-nachrichten-portal-nius/

    Hoppla, schon wieder AfD. Es geht hier also um sog. Astroturfing, eine Ausgründung von Springers Bild, zur Ablenkung eines Milieus das man ansonst nicht erreicht. Ob Gotthardt und Springer sich duzen? Mglw. haben sie auch den gleichen Vermögensverwalter.

    • _Box sagt:

      Ich bitte um Nachsicht für die Orthographie im einleitenden Satz. Ich war wohl gedanklich bei Bahre, muß an den vielen herumgetragenen Leichen liegen.

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