Ein Kommentar von Wolfgang Bittner.
Auf der Münchner Sicherheitskonferenz warnten namhafte Politiker vor einem Krieg mit Russland. Wir stünden am Abgrund, hieß es.(1) Schon vor Beginn erklärte der Vorsitzende, Wolfgang Ischinger: „Wir haben noch nie seit dem Ende der Sowjetunion eine so hohe Gefahr auch einer militärischen Konfrontation von Großmächten gehabt.“(2) Verteidigungsministerin von der Leyen war sich mit US-Verteidigungsminister James Mattis im Zelebrieren der „Abwehrbereitschaft“ gegen Russland einig. Während Mattis die deutsche Führungsrolle in Europa hervorhob, betonte von der Leyen die Bedeutung der NATO als „Wertegemeinschaft“ und den Willen der deutschen Regierung, weiter aufzurüsten.(3) Im Deutschlandfunk hieß es am 18. Februar 2018: „Gibt es also noch ein Zurück vom Abgrund? Am Ende musste Wolfgang Ischinger einräumen, dass das Fragezeichen dort wohl zurecht steht.“(4)
Dementsprechend hat Bundeskanzlerin Merkel in ihrer Regierungserklärung am 22. Februar die deutsche Bevölkerung zu einem Teilbereich der kriegerischen Ereignisse auf der Welt wissen lassen: „Das, was wir im Augenblick sehen, die schrecklichen Ereignisse in Syrien, den Kampf eines Regimes nicht gegen Terroristen, sondern gegen seine eigene Bevölkerung, die Tötung von Kindern, das Zerstören von Krankenhäusern, das ist ein Massaker, das es zu verurteilen gilt und dem wir ein klares Nein entgegensetzen. Wir sind aber auch aufgefordert, zu versuchen, eine größere Rolle dabei zu spielen, um ein solches Massaker beenden zu können. Darum müssen wir uns als Europäer bemühen …“(5)
Wir trauen unseren Ohren nicht: Will diese Frau Krieg? Es ist doch bekannt, dass sich außer Russland keine andere fremde Macht legitim auf syrischem Territorium aufhält, der Westen einen Völkerrechtsbruch nach dem anderen begeht, Damaskus von sogenannten Aufständischen mit Raketen beschossen wird, in der Ukraine der Kriegsherr Poroschenko den Kampf des Kiewer Regimes gegen die eigene Bevölkerung führt, dass die westlichen Verbündeten bei ihren Kriegszügen weder Rücksicht auf Kinder noch auf Krankenhäuser nehmen (Beispiel Mossul) … Welch eine Verlogenheit!
Was bedeutet es, wenn diese Kanzlerin sich aufgefordert sieht, „eine größere Rolle dabei zu spielen“? Wobei? Bei den völkerrechtswidrigen Kriegen der USA und ihrer Verbündeten. Soll das Aggressionsbündnis NATO demnächst in Syrien eingesetzt werden, was den Bündnisfall auslösen und eine Konfrontation mit Russland bedeuten würde? Gehen dann deutsche Soldaten in den Häuserkampf nach Syrien? Es sieht danach aus.
Merkels französisches Pendant, Emmanuel Macron, hat bereits verkündet, er werde in Syrien intervenieren, wenn gesicherte Beweise für den Einsatz von Chemiewaffen durch die Regierung Assad gegen die Zivilbevölkerung vorlägen: „Sobald diese erbracht sind, werde ich tun, was ich gesagt habe.“ Das ging durch die Medien und scheint ganz im Sinne von Angela Merkel zu sein. Die Frage, wer in Syrien Giftgas einsetzen könnte – mit Sicherheit nicht Assad, der keines mehr hat und über die Folgen wüsste –, wird gar nicht erst gestellt.(6)
Es geht also mit Macht und allen politischen und medialen Mitteln – und wenn die Welt in Scherben fällt – gegen Russland, den angeblichen Aggressor, der sich den Kapitalinteressen und dem imperialen Anspruch der USA nicht beugt und seit Jahren schon Frieden und Kooperation mit Westeuropa anstrebt. Dass Washington eine solche Partnerschaft mit geradezu hysterischer Verbissenheit boykottiert, haben viele Menschen – trotz der permanenten Hetze gegen Russland – inzwischen begriffen, wenn auch nicht die Gründe dafür. Sie sind globalpolitischer Art: Wenn es nämlich zu einem Ausgleich und einer Zusammenarbeit mit Russland (und des Weiteren auch mit China) käme, wären die USA nur noch eine übermäßig hochgerüstete Regionalmacht mit gewaltigen innerstaatlichen Problemen auf ihrer Insel zwischen Atlantik und Pazifik.(7)
„Europa bricht auf in Richtung Verteidigungsunion“, war vor einigen Wochen zu hören. Da wurde etwas gegründet, das nennt sich PESCO, und zwar unter dem Nebelschleier der Berliner Sondierungen für eine neue Regierung. PESCO ist ein europäisches Militärbündnis für „permanente strukturierte Zusammenarbeit“.(8) Die EU-Außenbeauftragte Mogherini sprach von einem „historischen Moment für die europäische Verteidigung“.(9) Und Verteidigungsministerin von der Leyen erklärte, „ein großer Tag … Wir gründen heute die europäische Sicherheits- und Verteidigungsunion.“(10) Unter anderem ist geplant, eine bessere Infrastruktur für die schnelle Verlegung von schwerem militärischem Gerät und Soldaten zu schaffen, „Schritte auf dem Weg zu einer Armee Europa“. Mit anderen Worten: Die NATO braucht neue Straßen, Brücken und Infrastrukturen, um Europa kriegsbereit zu machen. Schon vor Längerem wurde die Bevölkerung aufgerufen, für „Notfälle“ Lebensmittel und Trinkwasser zu horten.
Was kommt da auf uns zu? Wessen Interessen vertritt die Kanzlerin mit ihrer Regierung? Allem Anschein nach nicht die der deutschen Bevölkerung. Höchste Zeit, dieser unser aller Leben bedrohenden Politik ein Ende zu setzen. „Das ist die Seuche dieser Zeit: Verrückte führen Blinde“, lässt Shakespeare den Grafen Gloucester in seinem Drama „König Lear“ sagen. Die Zeiten haben sich zwar geändert, aber die Verrückten und die politisch Blinden sind geblieben – gefährlicher denn je, existenzgefährdend für die ganze Menschheit. Wir brauchen eine machtvolle Friedensbewegung!
Quellennachweise
(6) http://www.zeit.de/politik/ausland/2018-02/syrien-frankreich-macron-giftgas-angriffe
(7) http://www.nachdenkseiten.de/?p=41743
(8) https://www.bmvg.de/de/aktuelles/pesco–ein-meilenstein-auf-dem-weg-zur-verteidigungsunion-19806.
(9) http://www.zeit.de/news/2017-11/13/eu-23-eu-staaten-bringen-verteidigungsunion-auf-den-weg-13123003
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Der Schriftsteller und Publizist Dr. jur. Wolfgang Bittner lebt in Göttingen. Im Juni 2017 erschien von ihm im Westend Verlag eine überarbeitete und um 111 Seiten erweiterte Neuausgabe seines Buches „Die Eroberung Europas durch die USA“.
Siehe auch: KenFM im Gespräch mit Wolfgang Bittner
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