Kommentar von Evelyn Hecht-Galinski.
Wie es scheint, darf in Deutschland, Europa und den USA nicht mehr darüber diskutiert werden, was die illegale Besatzung Palästinas eigentlich bedeutet.
Pünktlich zum Neuen Jahr 2018, dem 70. Gründungsjahr des „Jüdischen Staates“ auf Kosten des einheimischen palästinensischen Volkes, verkündet die regierende Likud-Partei, dass weite Teile des illegal besetzten Westjordanlandes annektiert werden sollen. Erstaunlich ist, dass dieser Beschluss des Parteikomitees zwar in Abwesenheit von Ministerpräsident Netanjahu gefasst wurde, aber doch genau zu seiner Politik passt.
Dieser Annektierungs-Beschluss ist zwar nicht verpflichtend, setzt jedoch gezielt die Duftmarken für ein von Anfang an beabsichtigtes „Groß-Israel“. Zu dieser Provokation der Einverleibung palästinensischen Landes, nach dem unsäglichen Jerusalem-Beschluss von Trump, schweigt die sogenannte westliche „Wertegemeinschaft“.
Dieses Schweigen ermöglicht vor allem, dass mehr als 600.000 judaistische Siedler und Landräuber sich im illegal besetzten Palästina so gut wie unbehelligt ausbreiten und die etwa 2,9 Millionen Palästinenser diesem Treiben auf ihrem eigenen Grund und Boden schutzlos ausgeliefert sind.
Wenn die palästinensische Jugendliche Ahed Tamimi vor ein Militärgericht gestellt wird, für einen verzweifelten Versuch gegen die illegale Besatzung zu protestieren, dann ist sie eine Heldin und Symbol für diesen Freiheitskampf und sollte von der gesamten Staatengemeinschaft unterstützt werden! (1)
Schon die Reaktionen auf den Trump-Beschluss, Jerusalem zur „ungeteilten“ Hauptstadt des „Jüdischen Staats“ zu erklären, waren viel zu mäßig, abgesehen von ein paar verzweifelten Reaktionen, die mit ermordeten Palästinensern endeten. Momentan ist seine Ankündigung, die US-Botschaft nach Jerusalem zu verlegen nur ein symbolischer Akt, aber was für einer. Nicht nur handelt es sich um den Bruch des Völkerrechts, sondern er schert sich auch nicht um UN-Resolutionen. Weder die USA, noch das Netanjahu-Regime, akzeptieren international anerkannte Regeln, können dabei aber sicher sein, nicht zur Verantwortung gezogen zu werden für ihr anmaßendes und rechtswidriges Treiben.
Jerusalem könnte die ungeteilte Hauptstadt Palästinas sein in einem in die Zukunft weisenden Modell eines freien Staats für alle seine Bürger und Ethnien, mit gleichen Rechten und Pflichten. Für dieses Ziel lohnt es sich zu kämpfen.
Aber Trump und seine „Koscher Nostra“ schaffen Fakten, die keinen Gedanken an die unter rigider Besatzung lebenden Menschen in Palästina verschwenden, und tun alles dafür, um den „Jüdischen Staat“ als Alleinherrscher zu etablieren. Erleichtert wird das machtpolitische Spiel, bei dem die Menschenrechte auf der Strecke bleiben, weil viele der arabischen Staaten, an erster Stelle Saudi-Arabien, sich mit den USA und dem Netanjahu-Regime immer enger zusammenschließen. Machen wir uns nicht vor, es gibt nur einen Verlierer und das ist Palästina und das palästinensische Volk.
Während die Saudis vor aller Augen einen Völkermord im Jemen begehen und die verzweifelte Bevölkerung im abgeriegelten Gaza immer erbärmlicher dahin vegetiert, feiert sich der „Jüdische Staat“ groß aufgemacht in deutschen Medien für seine aufopfernde pflegerische Hilfe für syrische Kämpfer. Während Gaza kaum medizinische Hilfe erhält, werden syrische Dschihadisten vom Netanjahu-Regime hochgepäppelt nach voriger massiver Unterstützung.
Wenn dann noch der „Musterjude“ Rafael Seligmann einen an Kriegshetze nicht zu überbietenden „Fremde Federn“ Kommentar in der FAZ veröffentlicht, der an Verdrehung von Tatsachen nicht zu überbieten ist und indirekt schon einmal die deutsche Staatsräson für die Sicherheit des „Jüdischen Staates“ einfordert, die auch vor Krieg gegen Iran nicht zurückschreckt, dann ist die, Rote-Linie längst überschritten. Tatsächlich scheint der wirkliche Hintergrund der Unruhen im Iran, doch mit dem Kampf gegen Hisbollah und Hamas im Zusammenhang zu stehen und ist nicht die Frage zu stellen, wer die wirklichen Aufwiegler sind und von wem sie gesteuert werden? (2)
Wenn der palästinensische Präsident Abbas die Bevölkerung von Gaza als Pfand für seine eigene Macht betrachtet, Gehälter nicht bezahlt aushungert und ebenso wie das Netanjahu-Regime demokratische Wahlen verhindern will, befördert man Palästina immer weiter in die Versenkung.
Wer berichtet hier noch über die unzähligen Verhaftungen der jüdischen Besatzer oder die Bombenangriffe auf Gaza? Alles was dieses judaistische Staatsterror-Regime macht, ist erlaubt, schließlich geschieht es nur aus „Selbstverteidigung“. Jede verzweifelte Rakete aus dem ausgehungerten Konzentrationslager Gaza, wird mit massiven mörderischen Bombenangriffen beantwortet.
Wenn wöchentlich in Tel Aviv tausende Demonstranten gegen den unter Korruptionsverdacht stehenden Netanjahu demonstrieren, aber niemals für das Ende der Besatzung, dann ist etwas faul in diesem Staat! Übrigens kündigte Netanjahu an, auch bei Anklage Erhebung nicht zurücktreten zu wollen und die Knesset beschloss schon einmal ein Gesetz, dass versucht die Justiz auszuhebeln und Politiker vor Anklagen zu schützen.
Als letzte Woche erneut 14.000 neue Siedlungswohneinheiten angekündigt wurden, da war das Medien kaum mehr eine Zeile wert. Viel zu sehr haben sich die Politik und die deutschen Medien von Kopf bis Fuß auf die jüdische Besatzung Palästinas eingestellt. Während Deutschland mit Sanktionen schnell bei der Hand ist, wenn es gegen Iran, Russland, oder sonst ein “unbotmäßiger“ Staat geht, werden Sanktionen gegen Israels Völkerrechtsverbrechen erst gar nicht in Erwägung gezogen, sondern nimmt das Unrecht anstandslos hin.
Andererseits interveniert der „Jüdische Staat“ inzwischen weltweit, momentan besonders an US-Universitäten gegen die so wichtige und wirksame BDS-Kampagne mit hunderten von Millionen Dollar, mit willigen Helfern in unzähligen jüdischen Organisationen und Think Tanks, von der Jewish Agency, über das Reut-Institut bis zu den Hasbara-Meinungsmanipulatoren „The Israel Projekt“, sowie zahllosen christlich-zionistischen Evangelikalen, die diese Zustände zementieren. Auch wenn noch so viele Spendengelder für die mehr als zweifelhafte Lobbyarbeit abgezweigt werden für neue Gesetze, die uns Kritiker zum Schweigen bringen sollen, dürfen wir nicht aufgeben mit unserer Unterstützung für BDS. Es ist ein Krieg, der gerade erst begonnen hat.
Inzwischen wird alles von einem üblen Ablenkungsmanöver überlagert: Antisemitismus, muslimischer Antisemitismus und die Einsetzung eines Antisemitismusbeauftragten. Eine propagandistische Meisterleistung, die die wahren Absichten verschleiern sollen.
Meiner Meinung nach brauchen wir dringender einen Rassismus-Beauftragten, der sich um Mediendebatten kümmert und sich nicht einschüchtern lässt von den massenhaften Drohungen der Israel-Lobby.
Es ist nicht hinnehmbar, dass inzwischen der Begriff „Antisemitismus“ alles überlagert, während Besatzung gar nicht erwähnt wird.
Immer mehr auch jüdische Kritiker setzen sich mit diesem Thema auseinander und werden ebenso wie nicht-jüdische Kritiker ausgegrenzt. Dieses Ausgrenzen, das auch berufliche Konsequenzen einschließt, ist ein Machtfaktor, der mich an totalitäre Zeiten erinnert und, sollte er nicht gestoppt werden, zu einer Katastrophe ausweiten kann. Wie steht es um die uns allen im Grundgesetz garantierte Meinungsfreiheit, wenn man uns alle durch diese Maßnahmen zum Schweigen bringen will?
Was ist das für ein demokratisches Verständnis, wenn Loyalität zum „Jüdischen Staat“ inzwischen als Markenzeichen gilt, und es nur noch zwei Kategorien von Juden geben soll, diejenigen, die loyal die illegale Besatzung unterstützen, sowie die anderen aufsässigen Juden, die sich weigern für dieses Unrecht in Haftung genommen zu werden.
Tatsächlich bin ich besorgt darüber, dass sich gewisse jüdische Funktionäre, Organisationen und Politiker sich immer mehr als etwas „Besonderes“ darzustellen versuchen, um so jeder Kritik zu entgehen. War es früher verwerflich und ein Zeichen von Antisemitismus, die Religion eines jüdischen Bürgers herauszustellen, so ist es heute propagandistische Normalität, das Wort „Jude“ vor die Nationalität zu stellen. Warum wohl? Weil man damit das „Stammesdenken“ reaktiviert und das „Jüdischkeit“(Jewishness) als Monstranz vor sich hertragen kann. Allerdings wird dieses Gebaren nur bei erfolgreichen Menschen, Sportlern, Künstlern, Schriftstellen praktiziert, während es bei Gescheiterten oder Kriminellen unter den Tisch fällt, die womöglich der Ausgrenzung ausgeliefert werden.
Anti-Zionismus ist kein Antisemitismus und Kritik gegen den Jüdischen Apartheidstaat immer wichtiger. Diffamierungskampagnen gegen Kritiker werden sich in diesem Jahr anlässlich „70 Jahre Gründungsfeierlichkeiten“ des „Jüdischen Staates“ verstärken. Der öffentliche Druck wird immer stärker für uns, und es wird schwieriger zu agieren, zumal es auch innerhalb der Palästina-Solidarität viele Feindschaften gibt, die zwar versuchen, Honig zu saugen, also zu profitieren, aber insgeheim angepasst den Zionisten in die Hände arbeiten.
Wenn sich Rechte und Linke mit dem „Jüdischen Staat“ gegen andere Aktivisten solidarisieren, dann ist der Endpunkt erreicht, denn es gibt nur einen Weg, auch und gerade in Deutschland, quer durch die Gesellschaft: für die Freiheit Palästinas einzustehen.
Es beschämt und schmerzt mich, wenn muslimische Flüchtlinge an den antisemitischen Pranger gestellt werden, ebenso wie inzwischen muslimische Bürger und der Islam immer mehr verunglimpft werden.
Wie kann es sein, dass Arye Shalicar ein heutiger israelischer Regierungsbeamter im israelischen Geheimdienstministerium und früheres Berliner Gangmitglied, auf Facebook (inzwischen gelöscht) offen zur Jagd gegen Palästinenser in Deutschland aufrief? (3)
Passt das nicht genau zur Recherche von The Intercept, dass sich Facebook (Mark Zuckerberg) immer mehr den Befehlen Israels und der USA fügen? (4)
2018 wird Kritik am „Jüdischen Staat“ noch dringender, gegen die rassistische Apartheid-Politik des „Jüdischen Staates“, gegen die völkerrechtswidrige illegale Besatzung Palästinas, gegen den illegalen Siedlungsbau, sowie gegen die Unterdrückung aller palästinensischen Rechte. Gerade Deutschland und das kann ich gar nicht oft genug wiederholen, steht in der Schuld des palästinensischen Volkes als letztem Opfer Nazideutschlands. Wenn Davidstern-Flaggen verbrannt werden, dann zeugt das nur von der aufgestauten Wut, die sich ein Ventil sucht, und das ist mehr als verständlich.
Bedauerlicherweise gibt es nur eine Partei in Deutschland, die MLPD, die den unerschütterlichen und legitimen Kampf für die Befreiung Palästinas unterstützt. Deren Parteivorsitzende, Gabi Fechtner, war als einzige Parteivorsitzende Deutschlands bei dem 50. Jahrestag der Gründung der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) dabei. Gabi Fechtner persönlich, das Internationalistische Bündnis und die MLPD haben schon im Bundeswahlkampf offensiv den Befreiungskampf des palästinensischen Volkes verteidigt. Dafür, ist ihnen zu danken!
Es ist zu hoffen, dass der türkische Präsident Erdogan sich weiter für Palästina einsetzen wird und die Achse Iran/Russland/Syrien ausbaut. Das wäre im neuen Jahr ein wichtiger Anfang, und ein Signal für Palästina!
Solange der „Jüdische Staat“ von Kopf bis Fuß auf Kriege eingestellt ist, solange müssen wir uns dagegen wehren! Ein gutes Neues Jahr 2018.
Quellen
(1) https://www.n-tv.de/politik/Israel-stellt-Jugendliche-vor-Militaergericht-article20208936.html
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Danke an die Autorin für das Recht der Zweitverwertung.
Dieser Text erschien zuerst auf der Seite „Sicht vom Hochblauen“: “Von Kopf bis Fuß…”
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