Welcome to Zombieland

Von Dirk C. Fleck.

Willkommen im Zombieland! Hereinspaziert, meine Damen und Herren, hier sind Sie am Ziel ihrer Träume! Hier sind Sie unter sich, das wollten sie doch. Zombieland garantiert Ihnen ein Leben abseits der Realität. Zombieland ist das letzte Paradies auf Erden. Kommen Sie ruhig näher, der Eintritt ist frei. Bitte nicht drängeln, die Tore stehen jedem offen, eine Obergrenze gibt es nicht. Hereinspaziert, Herrschaften! Sobald Sie in der Registratur den Nachweis erbracht haben, dass Sie sich und ihre Kinder auf den Besuch entsprechend vorbereitet haben, werden Sie Bürger dieses Landes. Sie brauchen dafür nur drei Fragen zu beantworten:

1. Haben Sie bereits in hochwertige Unterhaltungselektronik als Ersatz für die Realität investiert?
2. Haben Sie die Sehenswürdigkeiten dieser Welt besucht, bevor diese von den Menschenmassen ruiniert wurden?
3. Haben Sie darauf geachtet, ihre Kinder daran zu hindern, die Einsamkeit der unberührten Natur zu lieben?

Wenn Sie alle drei Fragen mit JA beantworten können, steht der Erteilung eines Zombieland-Passes nichts im Wege!

IRONIE ENDE. Wer jetzt aber glaubt, dass die drei oben stehenden Fragen aus der Luft gegriffen sind, irrt gewaltig. Sie befinden sich als „Ratschläge für die Zukunft“ in der Studie „2052. Der neue Bericht an den Club of Rome. Eine globale Prognose für die nächsten 40 Jahre“, die der norwegische Zukunftsforscher Jørgen Randers bereits vor vier Jahren vorgelegt hatte, die aber in der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt geblieben ist. Dort heißt es auf Seite 383:

„Wenn Sie Ihrem Kind beibringen, die Einsamkeit der unberührten Wildnis zu lieben, so wird es etwas lieben, das es immer seltener geben wird. Sie erhöhen dadurch die Chance, dass Ihr Kind unglücklich wird, weil es das, was es sich wünscht, nicht mehr finden wird. Die neue Generation lernt besser von Anfang an, im pulsierenden Leben der Megastädte zu Frieden, Ruhe und Zufriedenheit zu finden und bei endloser Musikuntermalung in den Ohren.”

Die Randers-Studie enthält aber nicht nur solch vermeintliche Slapstick-Passagen, sie benennt das aufkommende Dilemma in bisher nie gekannter Offenheit. Hier einige Beispiele:

„Wir werden zu lange dem Ideal verhaftet bleiben, dass individuelle Rechte Priorität gegenüber dem Allgemeinwohl genießen, eine Sichtweise, die in einer immer dichter gedrängten Welt immer weniger hilfreich sein wird.“ (S. 58)

„Die Trennung zwischen dem geschriebenen und gesprochenen Wort ist bereits jetzt am Verschwinden und als Reaktion darauf entwickeln sich neue Normen, was Vertrauen, Privatsphäre und den Austausch von Gefühlen betrifft. Die Besonderheit der elektronischen Kommunikation über SMS, E-Mail und soziale Medien ist dabei, dass alles aufgezeichnet wird und zurückverfolgt werden kann. Das Paradoxe dabei: Was in elektronischer Form „zu den Akten“ gelegt wird, muss etwa alle zehn Jahre aufgefrischt werden und ist damit weit weniger dauerhaft als Aufzeichnungen auf Papier, die Jahrhunderte überdauern können.“ (S. 210)

„Die meisten der genannten Besonderheiten, die verloren gehen werden, sind für den Durchschnittsbürger kaum von Interesse, weil ihr Genuss für ihn ohnehin nie erschwinglich war. Das ist tatsächlich der Fall, und es ist einer der Hauptgründe, weswegen ich glaube, dass sich keine demokratische Mehrheit für vorbeugende Maßnahmen zu ihrem Erhalt finden wird.“ (S. 214). Die Erkenntnis, dass demokratische Entscheidungsfindungen nicht ausreichen werden, um auf die Herausforderungen, denen wir uns gegenübersehen, angemessen reagieren zu können, ist nicht neu. Der ehemalige UN-Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali hatte bereits 1992 darauf hingewiesen.

„Ich vermute, der Übergang des Militärs zur grünen Truppe wird sehr viel rascher erfolgen als erwartet. Dies wird der immaterielle Ausdruck des vielleicht bedeutendsten nicht–materiellen Wandels der kommenden 40 Jahre sein: des geänderten Feindbilds. Nicht der nächste Nachbar mit einer abweichenden Meinung über Regierungssysteme oder Religionen wird der Feind sein, sondern der vom Menschen verschuldete Klimawandel. Nicht jemand anderes, sondern das Kollektiv, dem jeder von uns angehört – oder um ein Poster vom ersten Earth Day 1970 zu zitieren: ‘Wir sind dem Feind begegnet und wir sind es selbst.’“ (S. 227). Kleine Anmerkung meinerseits: den Übergang des Militärs zur „grünen Truppe“ hatte ich bereits in meinem Roman „GO!-Die Ökodiktatur“ vollzogen, wo die sogenannten „Grünhelme“ über Rechte verfügen, die wir uns besser nicht wünschen sollten.

„Die größte Herausforderung in unserer gemeinsamen Zukunft ist also nicht das Lösen der Probleme, sondern die Entscheidung, sie auch lösen zu wollen. Das erfordert viel Überzeugungsarbeit. Die Einsicht, dass wir handeln müssen, wird kommen. Aber spät. Und das Handeln selbst wird noch später kommen. Und noch später erst sehen wir die Ergebnisse des Handelns.” (S. 277)

“Die moderne Finanztheorie ignoriert die natürlichen Ressourcen. Naturkapital kommt weder in den Bilanzen der Unternehmen noch in denen der Volkswirtschaften vor. Verglichen mit der andauernden (Fehl)Allokation von Kapital in fossile Vorräte ist die Subprime-Blase nur eine Kleinigkeit. Finanzkrisen entstehen dann, wenn die Märkte erkennen, dass sich das, was bisher als solider Wert galt, in Luft auflöst. Aufgabe der Finanzregulierungsbehörden wird es sein, die Bombe „fossile Kapitalanlagen“ zu entschärfen, bevor sie hochgeht.” (S. 306)

Nun steht Jørgen Randers mit seinen Thesen beileibe nicht alleine da. In einem Bericht für globale Nachhaltigkeit, der von den Vereinten Nationen in Auftrag gegeben wurde und den Titel trägt „Robuste Menschen – Robuster Planet. Für eine lebenswerte Zukunft“ heißt es:

„Wir müssen die Ausmaße der Herausforderung begreifen! Wir können nicht länger von der Annahme ausgehen, dass unsere kollektiven Handlungen keine Auslöser für Kipp-Punkte sind, wenn wir ökologische Schwellenwerte überschreiten und riskieren, dass dem Ökosystem und den menschlichen Gemeinschaften irreversibler Schaden zugefügt wird. Die Kommission glaubt jedoch, dass unsere menschliche Gemeinschaft willens und in der Lage ist, eine Entscheidung für die Zukunft zu treffen. Die Kommission ist daher hoffnungsvoll. Alle großen hatten ihren Ursprung in einer Vision, bevor sie Wirklichkeit wurden. Die Vision der globalen Nachhaltigkeit, die sowohl zu robusten Menschen als auch zu einem robusten Planeten führt, macht darin keine Ausnahme“.

Das Fazit der Kommission mag so machen beruhigen, mich beruhigt es nicht angesichts der Wucht und Geschwindigkeit, mit der eine durch geknallte Politik- und Finanzelite den zerstörerischen Tsunami weiterhin unbeirrt aufbaut, dem wir außer einigen gutgemeinten Postulaten nichts entgegenzusetzen haben. Mit der Realität hat das wenig zu tun. Wir befinden uns in einem neuen Zeitalter, im Anthropozän. Es bezeichnet die Ära, in der wir Menschen zum wichtigsten Einflussfaktor auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden sind. Mit einem Ergebnis, das sich sehen lassen kann. Die Natur ist gerade dabei, ihre globalen Dienstleistungen einzustellen. Jedes Jahr lieferte sie den Menschen einen Nutzen von 33 Billionen Dollar. In Form von Früchten, in Form von Wasser, das in den Flüssen gereinigt wird, und in Form einer CO2-Wäsche, die von den Pflanzen vorgenommen wurde. Nach Schätzungen der Wissenschaftler Paul Hawken und Frederic Vester betrug der natürliche Kapitalstock 400 bis 500 Billionen Dollar, von denen schon jetzt mehr als die Hälfte aufgebraucht ist. Ein verheerender Ist-Zustand mit verheerenden Langzeitfolgen, die in unserer Bilanz noch gar nicht auftauchen. Angesichts dieser Fakten ist Hoffnung nichts anderes als ein Beruhigungsmittel, ein Placebo. Da sind die Verhaltensregeln, die Jørgen Randers empfiehlt, nur logisch. Sie haben unbestreitbare Vorteile, so braucht man zum Beispiel seine Schwiegermutter nicht mehr zu besuchen, da sie ja jederzeit als holografisches Konstrukt im Wohnzimmer abrufbar ist. Zwischenmenschlich also alles in Butter in Zombieland …

 

Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Artikels.

KenFM bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Meinungsartikel und Gastbeiträge müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.


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