Wie lassen sich digitale Zentralbankwährungen zur politischen Unterdrückung nutzen?

Ein Meinungsbeitrag von Patrick Schüffel.

Digitale Zentralbankwährungen (CBDCs) stehen bereit, um Politikern und Beamten beispiellose Macht zu geben: Sie ermöglichen eine in der Geschichte nie dagewesene Überwachung und Steuerung der Bürger.

Digitale Zentralbankwährungen – oder auf «Englisch Central Bank Digital Currencies», kurz CBDCs – haben sich zu einem wichtigen Thema in der Finanzwelt entwickelt. Sie versprechen erhöhte Stabilität, Sicherheit, Effizienz und weniger Korruption. Zentralbanken, der Internationale Währungsfonds, das Weltwirtschaftsforum und die Weltbank suggerieren, dass CBDCs ein Allheilmittel sind, das lediglich darauf wartet, sämtliche Probleme unseres Finanzsystems zu lindern.

Leider stimmen diese Behauptungen nicht mit der Realität überein. CBDCs besitzen nämlich zwei Merkmale, die ihre Befürworter in aller Regel unerwähnt lassen, die jedoch wesentlich mehr Probleme schaffen als lösen werden. Erstens, dieses digitale Geld hinterlässt permanente digitale Spuren, die darüber informieren, wie Sie Ihr Geld erhalten und ausgeben. Zweitens können CBDCs programmiert werden. Dies bedeutet, dass die Verwaltung die technische Möglichkeit bekommt, zu bestimmen, ob Sie Ihr Geld überhaupt erhalten und ausgeben dürfen und gegebenenfalls, wofür.

Die digitale Datenspur

Als elektronisches gesetzliches Zahlungsmittel, das direkt von den Zentralbanken an die digitalen Geldbörse der Bürger, also an sogenannte «Wallets» ausgegeben wird, sind CBDCs nicht anonym. Die Kunden müssen Identifizierungsprozesse durchlaufen, die denen entsprechen, die heutzutage bei Geschäftsbanken eingehalten werden müssen. Die Gestaltung kann im Detail variieren, aber eine Geschäftsbank oder die Zentralbank oder beide werden jederzeit darüber informiert sein, wer das digital emittierte Geld gerade besitzt. Weiterhin wird dokumentiert, wie das Geld ausgegeben oder übertragen wird. Zudem wird festgehalten, an wen und zu welchem Zweck. Alle diese Informationen werden in einem zentralen digitalen Hauptbuch, einem sogenannten «Ledger» gespeichert, das von der Zentralbank betrieben wird.

Dieses System wird es den Zentralbanken ermöglichen, einen Ledger zu erstellen, der die Finanztransaktionen eines jedes Bürgers enthält – von der Wiege bis zum Sterbebett. Obwohl CBDC-Befürworter Datenschutzbedenken regelmässig zurückweisen, könnten Staaten durchaus Interesse an den gespeicherten Informationen zeigen. So könnte sich die Exekutive für Belange der Bürger interessieren, welche aus Zahlungsströmen ersichtlich werden. Dies gilt beispielsweise für Parteizugehörigkeiten, welche durch geleistete Mitgliedsbeiträge erkennbar werden, für Spenden an religiöse Organisationen, für die physischen und psychischen Gesundheit, welche durch die Begleichung von Arzt-, Apotheken- und Therapierechnungen offensichtlich wird – um nur einige Beispiele zu nennen. Zwecks einer «faireren» Gestaltung von Versicherungsprämien der staatlichen Krankenkassen könnte der Staat auch dazu übergehen, Alkohol- und Zigarettenkäufe sowie andere Entscheidungen des privaten Lebens zu überwachen. Sogar der CO2-Fußabdruck von Einkäufen könnte verfolgt werden, um die Einhaltung von Umweltrichtlinien zu überwachen. Selbstredend würde dies die Privatsphäre der Bürger erheblich gefährden.

Einschränkungen und Programmierbarkeit

Die Tatsache, dass es sich bei CBDC für private Endkunden um elektronisches Bargeld handelt, das bei der Zentralbank aufbewahrt wird, wird unsere rechtlichen Beziehungen zu „unserem“ Geld grundlegend verändern: Bei physischem Bargeld sind wir immer Eigentümer und Inhaber der Münzen und Scheine in unserem Geldbeutel. Mit CBDC werden wir nur Eigentümer des digitalen Bargeldes sein. Wir werden niemals Besitzer dieses Geldes sein, da es lediglich in unserem Namen bei der Zentralbank vorgehalten wird.

Daher werden wir nie die volle Verfügungsgewalt über dieses Geld haben. Stattdessen wird die Zentralbank immer zwischen uns und unserem Geld stehen. Sollte sich dieser Mittelsmann in einer Welt, in der es kein physisches Bargeld mehr gibt, weigern, in unserem Namen Transaktionen durchzuführen, können wir kein mehr Geld empfangen oder überweisen. Wir werden nicht mehr in der Lage sein, einen Geldschein aus unserem Portemonnaie zu ziehen und ihm demjenigen zu geben, dem wir ihn geben wollen.

Kurz gesagt: Jede CBDC-Transaktion könnte Beschränkungen unterliegen. Eine solche finanzielle Zensur könnte in Form von Zahlungsbeschränkungen oder Überweisungslimits auftreten und uns daran hindern, Geld an bestimmte Personengruppen oder Einzelpersonen, Organisationen oder Unternehmen zu überweisen.

Umgekehrt könnte ein CBDC-System uns auch daran hindern, Geld zu erhalten. Darüber hinaus könnten die Verwendungszwecke des Geldes, eingeschränkt werden, etwa durch Ausgabelimits oder Zahlungssperren wie bereits erwähnt für Alkohol, Zigaretten, aber auch für Benzin, Gas, Strom oder Zug- und Flugtickets – je nachdem, was eine dann waltende Regierung für opportun hält.

Auch das Einfrieren von Geldern missliebiger Protestierender – wie es der kanadische Premierminister Justin Trudeau im Jahr 2022 mit Mitgliedern des Freedom Convoy tat – würde für Regierungen weitaus bequemer und effizienter werden. Für die Sperrung von Unternehmens- oder Privatkonten bei Banken oder Zahlungsanbietern müssten keine Anordnungen erlassen werden. Stattdessen wäre es technisch möglich, dass die Regierung alle Protestierenden direkt per Knopfdruck vom Bargeld abschneidet.

Es ist sogar denkbar, dass CBDCs genutzt werden könnten, um Ausgangssperren zu verhängen oder Menschen unter Hausarrest zu stellen. Auf Tastendruck und in Echtzeit könnten CBDCs beispielsweise so programmiert werden, dass sie nur zwischen 6 und 18 Uhr funktionieren, oder nur im Umkreis von drei Kilometern um die eigene Meldeadresse. Tatsächlich könnte die aktuelle Regierung ein CBDC-System nutzen, um eine Kundgebung der Opposition zu verhindern. Einmal an der Macht könnten aber ebenso heutige Oppositionsparteien verhindern, dass dann künftig eine Versammlung von alternativen Parteien stattfindet.

Doch mit der Unterdrückung der Opposition ist es nicht getan: CBDCs könnten auch so programmiert werden, dass sie mit der Zeit an Wert verlieren. Dies könnte sich für in Zeiten des wirtschaftlichen Niedergangs als nützlich erweisen, wenn die Regierungen und die Zentralbank die Wirtschaft ankurbeln wollen und die Bürger zum Geldausgeben zwingen möchten. Es versteht sich von selbst, dass in diesem Szenario der Sparer derjenige ist, der den Schwarzen Peter hat.

Schleier des Nichtwissens

Doch neben eingeschränktem Datenschutz und begrenzter finanzieller Autonomie droht noch eine weitere – weitaus grundlegendere – Gefahr. Die Regierenden könnten die Demokratie untergraben, indem sie CBDCs dafür missbrauchen, ihre Macht zu zementieren. Wenn der Regierung die Möglichkeit gegeben wird, die Opposition buchstäblich auszuschalten, indem man ihr sämtliche finanziellen Mittel entzieht, wird es früher oder später geschehen. Oder um es ganz plakativ auszudrücken: Regierungen CBDCs an die Hand zu geben und zu hoffen, dass sie diese nicht missbrauchen, ist so, als würde man einem Alkoholiker ein Glas Whiskey einschenken und darauf hoffen, dass er ihn nicht trinkt.

Bei der Abwägung der Vor- und Nachteile von CBDCs für den Einzelhandel ist daher das Konzept des „Schleiers des Nichtwissens“ aus der Gerechtigkeitstheorie hilfreich. Auf den vorliegenden Fall angewendet, regt es nicht nur dazu an, über die Frage nachzudenken, ob Ihre derzeitige Regierung dazu neigen könnte, CBDCs zu missbrauchen, sondern auch darüber, ob zukünftige Regierungen – diejenigen hinter dem Schleier – es tun könnten.

Da wir nicht wissen, welche künftigen Regierungen es möglicherweise geben könnte, denken Sie an die schlimmstmögliche Regierung, die Ihrer Meinung nach existieren könnte. Überlegen Sie, ob diese Regierung CBDCs missbrauchen würde. Sie werden dann verstehen, warum CBDCs eine Bedrohung für die Freiheit darstellen – in Ihrem Land und auf der ganzen Welt.

Quellen und Anmerkungen:

Dr. Patrick Schüffel ist Adjunct Professor an der Hochschule für Wirtschaft in Fribourg, Schweiz. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereich Banken, Fintech und Innovation. Neben seiner Tätigkeit als Hochschullehrer und Forscher bekleidete er stets auch leitende Positionen im Banken- und Finanzwesen in der Schweiz und Liechtenstein. Dr. Schüffel publiziert regelmässig in internationalen Fachzeitschriften zu Themen aus der Bank- und Finanzwirtschaft. Er verfügt über Abschlüsse der University of Reading/Grossbritannien, der Norwegischen Handelshochschule in Bergen/Norwegen und der Universität Mannheim/Deutschland.

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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