Zinskritik ist kein Denkfehler | Von Norbert Häring

Ein Standpunkt von Norbert Häring.

Weil mit steigenden Zinsen die grundsätzliche Zinskritik wieder Auftrieb bekommt, hat der Chefredakteur der NachDenkSeiten, Jens Berger, seine schon 2011 erstmals erschienene Kritik an der Zinskritik nochmals publiziert. Aus meiner Sicht ist seine Gegenkritik zu sehr im kapitalistischen System verhaftet und berücksichtigt zudem systemische Effekte nicht ausreichend. <1> 

Jens Berger nimmt in „Zinskritik – Rückkehr eines alten Denkfehlers <2>“ für sich in Anspruch, mit dem Artikel „Kritik an der Zinskritik <3>“ von August 2011 die „Argumente“ der Zinskritiker im Kern widerlegt zu haben, wobei er „Argumente“ sogar in Anführungszeichen setzt, so als hätten die Zinskritiker gar keine richtigen Argumente. Ich finde, sie haben durchaus einen Punkt, auch wenn diejenigen, die ihre Kritik im Rahmen des kapitalistischen Systems formulieren, schnell an Grenzen stoßen. Deshalb hat Jens Berger auch recht mit der Feststellung, dass es ein Trugschluss wäre zu meinen, man könne durch ein Zinsverbot – wie auch immer man das erreichen möchte – die ökologischen und sozialen Mängel des derzeitigen Systems beheben.

Im Folgenden wird zur Vereinfachung von einer Situation ohne Inflation ausgegangen oder – gleichwertig – von einem um die Inflationsrate reduzierten „Realzins“. Bei einem Zins in Höhe der Inflationsrate bekommt man als Kreditgeber, in Kaufkraft gerechnet, so viel zurück, wie man gegeben hat.

Zins für Unternehmenskredite

Die sehr systemimmanente Sichtweise Bergers wird schon deutlich, wo er zu Anfang erklärt, was Zins aus Sicht des Kreditnehmers und Kreditgebers ist. Er schreibt:

„Unternehmen nutzen Kredite meist dazu, Investitionen vorzunehmen, mit deren Hilfe sie bessere wirtschaftliche Ergebnisse erzielen. Der Zins ist aus Sicht dieser Kreditnehmer eine Prämie dafür, mit Hilfe von Fremdkapital Investitionen vorzunehmen, um die eigene Ertragssituation zu steigern.“

Das ist richtig. Wichtig zu erwähnen wäre aber auch, dass der Zins ein Mittel ist, um im Sinne des kapitalistischen Systems zu steuern, wer bevorzugt auf gesamtwirtschaftliche Ressourcen zugreifen darf, um „Investitionen vorzunehmen und die eigene Ertragssituation zu steigern“. Es sind diejenigen, die die höchste Zahlungsfähigkeit und das größte verwertbare Vermögen (als Sicherheit) haben.

Es ist mitnichten garantiert, ja es ist nicht einmal wahrscheinlich, dass diejenigen, die (dank großer Marktmacht) den höchsten Gewinn erwarten dürfen und (dank verwertbarem Vermögen) die besten Kreditsicherheiten bieten können, die aus gesamtgesellschaftlicher Sicht ertragreichsten Investitionen tätigen. Das kreditzinsgesteuerte System sorgt aber dafür, dass sie Kredit zu günstigen Konditionen bekommen und andere, kleinere, weniger reiche und marktmächtige, weniger etablierte Unternehmen entweder gar nicht oder nur zu schlechteren Konditionen bedient werden.

Es gibt andere Möglichkeiten der Zuteilung. Stellen wir uns zum Beispiel eine Konsumgenossenschaft vor, die einen Betrieb gründet, um die Produkte herzustellen, die die Mitglieder der Konsumgenossenschaft haben wollen. Die Konsumenten strecken dem Produzenten die nötigen Betriebsmittel vor, damit er für sie gemäß Vereinbarung Waren produziert.

Oder stellen wir uns ein vergesellschaftetes Kreditsystem vor, in dem Kredite nach gesellschaftlichen Kriterien vergeben werden. Der Zins muss dann vielleicht dafür sorgen, dass die Kreditgeber keine Verluste machen, aber er wäre idealerweise nicht das Hauptzuteilungsinstrument.

Das soll vor allem deutlich machen, dass es ganz andere Sichtweisen gibt, wenn man die Prämissen des kapitalistischen Systems verlässt. Das Pro und Kontra der skizzierten Alternativen ist ein zu weites Feld, um es hier zu beackern.

Zins für Immobilienkredite

Was Berger über den Zins für Kredite an private Haushalte schreibt, ist ein Beispiel für eine nicht ausreichend systemische Sicht. Er schreibt:

„Privatleute ziehen mit Hilfe von Krediten meist Ausgaben vor, die ihnen einen wie auch immer gearteten Nutzen versprechen. (…) Wer beispielsweise ein Haus bauen will, hat zwei Möglichkeiten – entweder er spart und kauft sich das Haus, wenn er den nötigen Kapitalstock zusammengespart hat, oder er nimmt einen Kredit auf, mit dem er seine Investition vorzieht. (…) Für die Möglichkeit, sein Eigenheim bereits zu nutzen, lange bevor man es komplett bezahlt hat, muss man einen Preis bezahlen. Diese Prämie ist jedoch keine „Zinsknechtschaft“, sondern die freiwillig entrichtete Zahlung für den gewonnenen (vorgezogenen) Nutzen. Wer den Zins verbieten will und den Menschen somit die Möglichkeit auf einen Kredit nehmen will, nimmt ihnen auch die Möglichkeit, Investitionen, die ihnen sinnvoll erscheinen, zeitlich vorzuziehen. Der Besitz eines Eigenheims wäre somit de facto ein Privileg für Erben und Spitzenverdiener.“

Was hier fehlt, sind die Auswirkungen massenhafter und zunehmender Vergabe von Immobilienkrediten. Diese sind inzwischen das Hauptgeschäft der privaten Geschäftsbanken, nicht die Investitionskredite an Unternehmen. Auf dem Markt für bebaute oder unbebaute Grundstücke, deren Angebot nur sehr begrenzt erweiterbar ist, kommt der zum Zug, der den höchsten Preis bietet. Da nur wenige ohne Kredit den vollen Kaufpreis für Haus und Boden aufbringen können, macht der das Rennen, der den höchsten Kredit bekommt. Das sind nicht die Eigenkapitalschwachen, die laut Berger die Hauptnutznießer des Immobiliarkredits sind, sondern die begüterten Privatpersonen und Institutionen.

Wenn über beständig wachsende Immobilienkredite bei begrenztem Angebot an Grundstücken immer mehr Geld in den Immobilienmarkt fließt, steigen dort die Preise überproportional. Das führt dazu, dass die Käufer mehr Kredit brauchen, um ein Haus oder eine Wohnung zu kaufen. Steigende Immobilienkredite schaffen dadurch die Notwendigkeit für weiter steigende Immobilienkredite und gleichzeitig treiben sie die Preise in die Höhe. Gerade für eigenkapitalschwache junge Familien ist es bei den heutigen Immobilienpreisen kaum noch möglich, das geforderte Eigenkapital für einen Immobilienkredit aufzubringen.

Es gibt Alternativen

Auch hier berücksichtigt Berger alternative Wirtschaftssysteme nicht. Die Alternative ist keinesfalls, dass man erst ein Eigenheim oder eine Wohnung erwerben kann, wenn man den Kaufpreis zusammengespart hat, wie Berger das darstellt. Stellen wir uns vor, privaten Banken würde das Immobilienkreditgeschäft ganz verboten, oder sie dürften es (inflationsbereinigt) nicht mehr ausweiten. Was würde passieren?

Es wurden bereits verschiedene, bessere Lösungen entwickelt. Sie heißen Bausparkasse, Kreditverein auf Gegenseitigkeit und Bau- und Vermietungsgenossenschaft. All diese alternativen Arrangements haben das Problem, dass die Banken Rosinenpicken betreiben und den attraktivsten Kreditnehmern besonders gute Angebote machen können. Kommt dann noch hinzu, dass der Zins stark schwankt, dann kommen solche Institutionen, die nicht mit einem (variablen) Zins operieren, immer dann in die Klemme, wenn der Marktzins besonders niedrig und damit das Angebot der Banken besonders günstig ist. Da Bausparkassen und Co. auf eine langfristig stabile Mitglieder- bzw. Kundenentwicklung angewiesen sind, tun sie sich sehr schwer, wenn es daneben Geschäftsbanken mit Immobiliengeschäft gibt. Würde das unterbunden, müssten die Leute nicht den ganzen Kaufpreis ansparen, sondern sie bekämen alternative Angebote, um einen vermutlich niedrigeren Kaufpreis teilweise vorzufinanzieren. Das kann auch mit sehr niedrigen oder ganz ohne Zinsen funktionieren.

Zins aus Sicht des Kreditgebers

Als Rechtfertigung für den Zins aus Sicht des Kreditgebers hat Berger die Standarderklärung der Ökonomielehrbücher parat, die Warteprämie und die Risikoprämie:

„Für den Kreditgeber stellt der Zins nicht nur einen Inflationsausgleich, sondern vor allem eine Risikoprämie und schlichtweg den Preis für das Warten dar. (…) Wer würde einem Unbekannten zinsfrei Geld leihen, ohne zu wissen, ob man das Geld auch wiederbekommt? Zum Wesen des Kredits gehört nun einmal auch der Kreditausfall. (…) Gäbe es nur einen Einheitszins oder gar keinen Zins, würde wohl niemand sein Geld an ein ertragsschwaches Unternehmen oder eine Person mit Zahlungsschwierigkeiten verleihen.“

Hier wird wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass derjenige, der etwas angespart hat oder Vermögen vererbt oder geschenkt bekommen hat, eine kostenlose Möglichkeit hat, dieses Vermögen werterhaltend aufzubewahren. Das ist aber keine realistische Referenzsituation.

Das sieht man besonders leicht, wenn man sich in eine geldfreie Welt begibt. Wer Getreide übrig hat und einlagert, hat dafür mit Kosten und beträchtlichem Schwund zu rechnen. Wenn er Glück hat, findet er stattdessen einen vertrauenswürdigen Menschen, der das Getreide heute braucht und ihm für die Zukunft glaubwürdig etwas von Wert versprechen kann. Im Zweifel wird diese Person sich diesen Dienst durch einen Rabatt bei der Rückgabemenge bezahlen lassen. Jedenfalls gibt es nichts, was von vorneherein dafür sorgen würde, dass der Besitzer des Überschusses für „das Warten“ (welches Warten?) bezahlt wird und nicht der Abnehmer für seinen wertvollen Dienst am Besitzer.

Warum sollen wir in der Geldwelt demjenigen, der einen Überschuss hat, ein Grundrecht auf kostenlosen Transfer dieses Überschusses in die Zukunft zubilligen? Das mit dem Warten ist ja nicht wirklich der typische Fall, jedenfalls mengenmäßig nicht. Mühsam angesparte Geldvermögen sind in der Regel klein. Das mit Abstand größte Volumen an Geldvermögen gehört Menschen, die geerbt haben oder so viel verdienen, dass sie das viele Geld nicht sinnvoll konsumtiv ausgeben können.

Geld ist ein Anspruch an die Gesellschaft. Ob die Gesellschaft sich dafür bezahlen lässt, diesen Anspruch in die Zukunft zu transferieren, oder ob man dafür bezahlt wird, den Anspruch erst später geltend zu machen, hängt von gesellschaftlichen Konventionen ab und den Machtverhältnissen, die diese Konventionen hervorgebracht haben.

Irrtümer der Zinskritiker und ihres Kritikers

Der laut Berger „blanke Unsinn“ der Geschichte des Jesuspfennigs, der sich über 2.000 Jahre durch Zins und Zinseszins zu einem unermesslichen Vermögen mehren würde, illustriert in diesem Lichte nicht nur, was die Zinskritiker übersehen, dass nämlich der Kredit, für den man Zins bekommt, risikobehaftet ist und das Vermögen wegen Kreditausfällen eben nicht unendlich groß wird. Sie illustriert auch, was Berger übersieht, dass es nämlich in der realen Welt keine sichere Alternative zur Kreditvergabe gibt, die einem ermöglichen würde, reale Werte kostenlos und garantiert in die ferne Zukunft zu übertragen.

Keine automatische Geldmengenaufblähung

Recht hat Berger, wenn er argumentiert, dass der Zins nicht zu einer exponentiellen Steigerung der Geldmenge führe, auch wenn seine Begründung nicht ganz korrekt ist, oder mir nicht richtig verständlich.

Der Zinszahler muss einen Überschuss erwirtschaften und auf sein Konto einzahlen. Dieses Guthaben in Höhe der Zinsschuld streicht die Bank. Es wird nicht auf ein anderes Konto gebucht, denn die Bank hat kein Konto bei sich selbst. Die Geldmenge sinkt also im ersten Schritt. Durch die Guthabenstreichung erzielt die Bank einen Betriebsüberschuss, Dieser ermöglicht es ihr zum Beispiel, ohne Verlust eine Mitarbeiterin im Kreditgeschäft zu bezahlen. Dies geschieht normalerweise im Wege der Geldschöpfung, indem die Bank den entsprechenden Betrag auf dem Konto ihrer Mitarbeiterin gutschreibt. Die Geldmenge sinkt also zuerst und steigt dann wieder um den Betrag der Zinszahlung. Die Zinszahlung hat keine Auswirkung auf die Geldmenge.

Indirekter Wachstumszwang

Komplizierter ist es mit dem Vorwurf, dass Zinsen zu einem „Wachstumszwang“ führten. Berger meint den Denkfehler dahinter mit dem Hinweis zu enttarnen, dass nicht hohe, sondern niedrige Zinsen die Konjunktur ankurbeln, also das Wachstum erhöhen. Ich würde hier einwenden, dass es hier vor allem auf die Zinsänderung ankommt, nicht so sehr auf das Niveau, aber das will ich hier nicht vertiefen.

Auf einer grundlegenderen, weniger systemimmanenten Ebene kann man dem Zins durchaus diese Wirkung zuschreiben. Zuvor sei allerdings noch der letzte Irrtum erwähnt, den Berger zu entkräften meint, der Vorwurf, dass der Zins zu Umverteilung von unten nach oben führe. Denn er hängt mit dem Wachstumszwang-Argument zusammen. Diesem begegnet Berger mit dem Argument:

„Empirisch lässt sich der Zusammenhang von Zins und Vermögenskonzentration jedoch relativ einfach widerlegen, wenn man sich die Periode von 1945 bis 1980 anschaut. Diese Periode wird auch als „große Kompression“ bezeichnet. Sie zeichnete sich dadurch aus, dass sich nicht nur die Einkommens-, sondern auch die Vermögensschere in allen westlichen Industrieländern immer weiter geschlossen hat. Während dieser Periode hat sich jedoch kaum etwas am Geld- oder Zinssystem verändert. Was diese Periode auszeichnete, war vielmehr ein klares Bekenntnis seitens der Politik, mittels Gesetzen und des Steuersystems für eine Angleichung der Lebensverhältnisse zu sorgen.“

Dass es in der Nachkriegszeit Zinsen gab, stimmt. Aber sie waren stark reguliert, mit dem Ziel, sie niedrig zu halten. Man nennt das, was damals stattfand, unter Ökonomen heute „finanzielle Repression“. Am Beispiel der Regulation Q in den USA lässt sich das besonders leicht zeigen. Die 1933 erlassene Vorschrift legte Höchstgrenzen für Zinsen von verschiedenen Arten Bankguthaben fest. Ab Mitte der 70er Jahre wurden Umgehungen der Regulierung zunehmend legalisiert und die Zinsobergrenzen außer für Girokonten bis 1986 nach und nach aufgehoben.

Wegen des dollarbasierten Festkurssystems der Nachkriegszeit wirkte sich Regulation Q auch in Deutschland zinssenkend aus. Aber auch in Deutschland selbst galten in der von Berger angeführten Periode Zinsobergrenzen und andere Regulierungen, die mit finanzieller Repression bezeichnet werden, darunter Goldbesitzverbot, Kapitalverkehrskontrollen, Zwangsanleihen und der Betrieb von Staatsbanken.

Abgesehen davon entstehen Wachstumszwang und Vermögenskonzentration durch den Zins auf einer anderen Ebene. Der Zins ist das Schlüsselelement des kapitalistischen Finanzsystems. Der vermeintlich risikolose Zins von Staatsanleihen ist sein Dreh- und Angelpunkt. Über das „Abzinsen“ kann der Finanzsektor allem, was sich in Geld bewerten lässt, auch wenn es weit in der Zukunft stattfindet, einen heutigen Wert, einen „Barwert“, geben und es so handelbar machen und handeln. Der risikolose Zins ist die wichtigste Zutat in den imaginären „Kapitalkosten“, mit denen die Zunft der Unternehmensberater und Buchhalter eine Untergrenze für den kurzfristigen Unternehmensgewinn setzt, den das Management jedes Unternehmens erzielen muss. Einen niedrigeren Gewinn definieren sie auf diese Weise in einen Verlust um. Die Finanzbranche setzt diese Gewinnuntergrenze in der Breite durch, indem Unternehmen, die sie nicht erreichen, zum Beispiel wegen einer zu großen Betonung langfristiger Stabilität und Nachhaltigkeit, feindlich übernommen oder anderweitig ausgeschlachtet werden, wenn sie nicht rechtzeitig ihr Management austauschen.

Gäbe es keinen Zins, gäbe es auch keinen aufgeblähten Finanzsektor dieser Art. Würde das nötige Kapital auf andere Weise zugeteilt, wie oben bereits angedeutet, ohne dass die Vermögenszuwächse einer immer reicher werdenden Schicht mit den Erträgen finanziert werden müssten, dann könnte und würde die Gesellschaft mit erheblich weniger Wirtschaftswachstum auskommen. Sehr vieles, was zwar Gewinn bringt, aber keine originären Bedürfnisse der Menschen befriedigt, würde nicht stattfinden.

Dagegen kann man nicht – wie Berger es tut – anführen, dass in ausgeprägten Niedrigzinsphasen das Wachstum typischerweise gering ist. Das ist eine Folge der Krisenanfälligkeit des Systems, das nach übersteigertem Wachstum gern in den Krisenmodus übergeht und dann mit stark gesenkten Zinsen wieder aufgepäppelt werden muss. Auf die Zinsänderung kommt es dabei an, nicht auf das Zinsniveau.

Auch über die massive Verteuerung von Boden und damit des Wohnens sorgt der Zins indirekt für Wachstumszwang. Denn indem es die Wohnkosten überproportional steigen lässt, sorgt das zinsgetriebene Immobilienkreditgeschäft dafür, dass die Menschen bei steigendem Wohlstand nicht aufhören, mehr Geld verdienen zu wollen. Ein Durchschnittshaushalt mit Kindern wird auch in einem reichen Land aufgrund der Kosten einer Wohnung im Mittelschichtstandard genötigt, mit vollem Einsatz an der Steigerung des Bruttoinlandsprodukts mitzuarbeiten.

Fazit

Ja, viele der Argumente der Zinskritiker überzeugen nicht, wenn diese versuchen, sie systemimmanent vorzutragen. Kapitalismus ohne Zins kann tatsächlich kaum funktionieren. Aber wenn man den Rahmen erweitert und andere Wirtschaftsmodelle zulässt, kann man sehr gut zu dem Ergebnis kommen, dass solche ohne Zins vorzuziehen wären.

Wirtschaftsmodelle, die ohne oder mit sehr niedrigem Zins auskommen, sind Elemente einer Zurückdrängung des Kapitalismus. Ein Zinsverbot als Allheilmittel wäre dagegen eine unrealistische Wunschvorstellung. Mit einem Federstrich lässt sich der Kapitalismus nicht abschaffen.

Quellen

<1>  https://norberthaering.de/geldsystem/zinskritik-berger-nachdenkseiten/

<2> https://www.nachdenkseiten.de/?p=102113

<3>  https://www.nachdenkseiten.de/?p=10530

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Dieser Beitrag erschien zuerst am 09. August 2023 bei norberthaering.de

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Kommentare (18)

18 Kommentare zu: “Zinskritik ist kein Denkfehler | Von Norbert Häring

  1. said.salasar sagt:

    Dass der Autor dem Autor des von ihm kritisierten Artikels das Übersehen "systemische Effekte" vorwirft wäre angesichts seiner eigenen 'systemischen Blindheit' erstaunlich, wüsste mensch nicht um Selbstverliebheit so ziemlich aller Schreiber.
    Wer davon ausgeht, der "Kreditgeber" müsse belohnt werden hat keine Ahnung was Geld ist (oder möchte herdenkompatibel bleiben).
    "Kredit" ist der Mafia vermittelte Weg der Zurverfügungstellung aktuell vorhandener Materialien
    (das schließt Ernährung etc sämtlicher Mitarbeiter an der Realisierung der "Investion" ein — wobei der Begriff "Investition" bereits jedes Verständnis des Grundirrtums unmöglich macht, denn nur innerhalb eines Frames 'kreditgeschöpften Geldes' gibt es sowas wie "Investition". Wer so denkt ist immer schon in der Falle des Privateigentums {und sei es das des "Staates"} an fremdem Besitz gefangen, ist immer schon Apologetiker des Kapitals)
    Nur aktuell vorhandenes Material etc kann in sogenannte "Investionen" verwendet werden – die Ernte des nächsten Jahres mag bereits wem gehören (wer an Kredit glaubt, glaubt das sei nicht nur möglich – viel schlimmer – sier glaubt, das sei sinnvoll) gegessen werden kann sie nicht.

    Am "Eigentum an Erdoberfläche", etwas das nicht nachwachsen = das nicht [nennenswert] vermehrt werden kann, offenbar sich endgültig wessen Geistest Kind jemand ist.
    Diese "Ressource" [ebenfalls ein Begriff der einen innerhalb des Frames kapitalistischer Herrschaft einsperrt] kann dem Hausnutzer, dem Bauern, … nur per gesellschaftlichen Konsens [egal mittels welcher Gewalt dieser auch erzwungen wird] zur Verfügung gestellt werden, aber was einem nicht mit ins Grab gegeben werden kann, kann unmöglich dessen Eigen(Tum) sein. Was umgekehrt bedeutet, dass der Autor "Eigentum" [im heutigen Verständnis diese Begriffes, sprich zu über 95% das Recht von anderen Abgaben für die Nutzung ihres Besitzes zu erheben] für kontitutiv erklärt. Das ist angesichts dessen was der Glaube ans Privateigentum (am Besitz anderer Menschen – wovon Besitz der mit "Eigentum" zusammenfällt die Ausnahme bildet) bisher angerichtet hat, die aktive Unterstützung von Weltverbrechen.
    Oder glauben Sie eine Straße, ein Telofonnetz, gar eine Bank oder Atomkraftwerk kann überhaupt privates Eigentum sein? Wer so denkt, mit derm ist gar kein sinnvolles Gespräch möglich.
    Zins, genauer die Idee das "Recht" für etwas aus dem Nichts geschöpftes Abgaben verlangen zu dürfen, ist krimineller Aberglaube – das er noch immer übermächtig ist, weil auch doch solche, sich als kritisch verstehende Äußerungen bestärkt wird, ändert daran nichts. Er wird kollabieren. Die Frage ist nur mit welchen "Kollateralschäden"

  2. Zivilist sagt:

    NEIN

    Um mit dem Häuslebauen anzugfangen und dem Bausparen, für das Modell braucht es überhaupt kein Geld. Wenn 1000 Menschen je eine Hütte bauen wollen, können sie 10 Jahre Material sammeln und wenn sie dann genug haben anfangen zu bauen, 10 Jahre. Oder sie bauen die ertse Hütte schon, wenn das Material dafür reicht, dann steht das Dorf viel früher.

    Ansonsten ist diese ganze Ökonomie doch eine völlig pervertierte Ökonomie, denn es geht nur um Geldströme, nicht um Hütten, nicht um das Brot auf dem Tisch. Bei dieser Möchtegernökonomie wird zugrundegelegt, daß es die Natur des Menschen sei, grenzenlos habgierig zu sein. Meiner Erfahrung nach ist der Mensch aber ein soziales Wesen und sobald er aus der größten Not ist, gibt er lieber, als er nimmt. Und mit unserem Know How müßten wir längst alle aus der größten Not raus sein. Grenzenlose Habgier ist überhaupt nur durch die Erfindung des Geldes möglich, davon kann man nie genug haben, alle anderen Güter werden ab einem bestimmten Überfluß zur Last. Einzelwirtschaftlich ist der Kapitalerhalt wichtig, gesamtwirtschaftlich wird die gleiche Rechnungsweise schnell zur Katastrophe. Aufgabe des Staates ist die öffentliche Daseinsvorsorge, er muß die richtigen Entscheidungen treffen, in diesem Rahmen kann und soll er Geld drucken.

    Schon Twain riet: Kauft Land, denn es wird nicht mehr hergestellt. Privatbesitz an rund und Boden ist genau darum ein Unding. Häuslebauer sind eh Feiglinge, man kann sich durch das Eigenheim nicht gegen die Gesellschaft versichern, Habeck beweist es doch gerade mit seinem Heizwahn.

    Und das BIP sagt nichts über das Volksvermögen, der Westen brilliert mehr und mehr durch BIP Generierung durch Wohlstandsvertnichtung. Pervers.

  3. Frohsinn sagt:

    Ein Annuitätendarlehen mit 1% Tilgung läuft ca. 28 – 30 Jahre.
    Erst in den letzten 3 Jahren wird real "getilgt". Die vielen Jahre zuvor zahlt der Kreditnehmer in etwa die gleiche Kreditsumme als Zinsen an die kreditgebende Bank.

    Banken haben kein Ausfallrisiko.
    Denn sie vergeben den Kredit z.B. 1 Mio durch einfachen doppelten Buchungssatz
    a) Verbindlichkeit auf Bargeldauszahlung
    b) Forderung an den Kreditnehmer
    Für Banken sind ausgereichte Kredite nach Definition "EIGENKAPITAL" !!
    "Eigenkapital" dass sie durch einen Buchungssatz selbst erzeugt und gegen Zins "verliehen" haben, ohne dafür je eine Leistung erbracht zu haben.
    Die "Beschaffungskosten" sind überschaubar, die Mindestreserve lag bei 1%
    (bei 1 Mio Kreditsumme = 10.000,-€)

    c) die Immobilie ist "Eigentum" der Bank, solange der Kredit nicht abbezahlt ist und die Grundschuld gelöscht oder eine Eigentümergrundschuld wurde.
    Die Banken

    Im Falle von fallenden Marktpreisen, verlangen Banken mehr Sicherheiten vom Kreditnehmer, so dass bei Nichterfüllung Zwangsversteigerung droht.

    Das Geschäft ist stets zu Lasten des Kreditnehmers und nie zu Lasten der Bank.

    Interessant ist auch
    § 3.3 Kreditwesengesetz KWG:
    § 3
    Verbotene Geschäfte
    (1) Verboten sind
    1.
    2.
    3. der Betrieb des Kreditgeschäftes oder des Einlagengeschäftes, wenn es durch Vereinbarung oder geschäftliche Gepflogenheit ausgeschlossen oder erheblich erschwert ist, über den Kreditbetrag oder die Einlagen durch Barabhebung zu verfügen.

    Die zirkulierende Geldmenge in Bar gegenüber Buchgeld dürfte < als 1/10 sein.

    § 54
    Verbotene Geschäfte, Handeln ohne Erlaubnis
    (1) Wer

    1. Geschäfte betreibt, die nach § 3, auch in Verbindung mit § 53b Abs. 3 Satz 1 oder 2, verboten sind, oder
    2. ohne Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Bankgeschäfte betreibt oder Finanzdienstleistungen erbringt,
    wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

    Schon Ackermann wusste, dass die Bank nie Pleite gehen kann.

    • rhabarbeer sagt:

      Hallo Frohsinn

      danke für deine Ergänzungen und Hinweise!
      Zu dem Hinweis auf
      § 3.3 Kreditwesengesetz KWG
      möchte ich sehr gerne noch auf RA Hans Scharpf erinnern, der sehr umfassend dieses Thema unter Einbeziehung seiner eigenen Lebensumstände thematisiert und in die Öffentlichkeit holte.

      Seine aktuelle Webseite:
      http://www.scharpf-law.de/

      Seine vorherige website im web-archive:
      https://web.archive.org/web/20230000000000*/https://geldhahn-zu.de

      Auswahl aus dem web-archive:
      – Monetative überzeugt Deutsche Bundesbank
      https://web.archive.org/web/20210107124145/https://geldhahn-zu.de/de/monetative-%c3%bcberzeugt-deutsche-bundesbank.html

      – Finanzkapitalismus ist verboten – Widerstand dagegen erlaubt
      https://web.archive.org/web/20210107124053/https://geldhahn-zu.de/de/finanzkapitalismus-ist-verboten-widerstand-dagegen-erlaubt.html

      – Kein Recht zur Geldschöpfung (pdf)
      https://web.archive.org/web/20150619042918/http://geldhahn-zu.de/wissen-ist-macht/download-pdf/kein-recht-auf-geldschoepfung

      – Justiz und Geldschöpfung – Die Rolle der Justiz
      https://web.archive.org/web/20150626235121/geldhahn-zu.de/d/monetative/fiat-money4

      Und natürlich auch die Beschreibungen von Franz Hörmann zb hier
      https://youtu.be/quN46HBCDZY?t=32m46s

      Ein Teil-Transkript davon hatte ich hier ergänzt
      https://staging.apolut.net/kapitalismus-bis-zum-bitteren-ende-von-ruediger-rauls#comment-269616

      …und viele Grüße in die Runde

  4. Ralle002 sagt:

    23. August 2011
    Kritik an der Zinskritik
    von Jens Berger
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=10530

    Beim islamischen Bankwesen gibt es keinen Zins, weil der Koran dies so vorschreibt.

    Der Zins gilt als leistungsloses Einkommen.
    Beim Bezahlen an der Ladentheke gibt es einen immer schneller ansteigenden Zinsanteil, der zum großen Teil wenigen reichen Personen zufließt.

    Die Problematik des Zinssystems
    http://www.berndsenf.de/ProblematikZinssystem_1.htm

    Der Kapitalismus funktioniert mit Hierarchien.
    Prof. Dr. Gerald Hüther würde jedoch eine Gesellschaft ohne Hierarchien bevorzugen:

    OHNE Hierarchie: Die Gesellschaft der Zukunft // Prof. Dr. Gerald Hüther
    https://www.youtube.com/watch?v=eK-vyvrEwqo

    Hierzu:
    Hierarchien haben aber immerhin den Vorteil, dass Unternehmen effizienter arbeiten können.

    Dass der Kapitalismus aber bereits durch die bloße Abschaffung des Zins auf Dauer funktionieren würde, ist nicht anzunehmen.
    Beispielsweise geht der obige Beitrag von Norbert Häring gar nicht darauf ein, dass Geld etwas Ähnliches wie ein Schuldschein ist.

    Geld kann es jedenfalls vom Prinzip her nur dann geben, wenn es Dritte gibt, die Schulden haben.
    Weil aber die Konjunktur ständig schwächelt, weitet der Staat seine Schulden mit der Zeit immer weiter aus.

    Dokumentation Staatsschulden System außer Kontrolle
    Staatsschulden und der Zusammenhang zwischen Banken, Zinsen, Staat, BIP, Steuern und Bevölkerung.
    https://www.dailymotion.com/video/x45ergl

    Wem gehört Deutschland?
    Die Profiteure der Staatsverschuldung
    Rezept für Staatsverschuldung: Man nehme eine Billion Euro (das allein sind 1.000 Milliarden), packe noch einmal 226 Milliarden Euro drauf und füge weitere 737 Millionen Euro hinzu. Das ergibt eine dreizehnstellige Zahl: 1.226.737.000.000 Euro. So unvorstellbar hoch ist Deutschlands Schuldenberg, der übrigens pro Sekunde um weitere 1.300 Euro wächst.
    https://youtu.be/TBiIzdfKAio

    Es gibt den Ansatz, dass die "Marktwirtschaft" möglicherweise repariert werden könnte:
    https://marktwirtschaft-reparieren.de/

    Etwa Prof. Dr. Dr. Giacomo Corneo beschäftigt sich in seinem Buch „Bessere Welt“ mit alternativen Wirtschaftssystemen.
    https://www.wiwiss.fu-berlin.de/fachbereich/vwl/wirtschaftspolitik/corneo.html

    Alternativen zu Krisen und Kapitalismus?
    Friederike Habermann
    https://www.exploring-economics.org/de/entdecken/alternativen-zu-krisen-und-kapitalismus/

    This economist has a plan to fix capitalism. It's time we all listened
    Mariana Mazzucato has demonstrated that the real driver of innovation isn't lone geniuses but state investment. Now she's working with the UK government, EU and UN to apply her moonshot approach to the world's biggest challenges
    https://www.wired.co.uk/article/mariana-mazzucato

  5. cumbb sagt:

    ;-)
    "Kapital" ist ein Synonym für Identität. Eigen-tum.
    Wir hätten unsere Begrenztheit und Kleinheit zu erkennen, uns darin zu üben.

  6. cumbb sagt:

    ;-)
    Wir können "Welt" nicht "schöpfen", wir dürfen "Geld" nicht "schöpfen"!

  7. cumbb sagt:

    ;-)
    "Geld" ist ein Konzept: Zahlen, die per "Gesetz" "Eigentumsverhältnisse" an "Welt" festlegen.
    Wer "Zahlen" "schöpfen" darf, dem gehört die Welt;-)

  8. Dziersynski sagt:

    Ich habe jetzt beide Kommentare gelesen, denn Berger und den Häring. Ich gehe nicht auf Einzelheiten beider ein, denn es ist schwere Kost. Für den "normalen" Bürger kaum zu begreifen. Aber ein Satz von Häring hat es mir angetan

    "Kapitalismus ohne Zins kann tatsächlich kaum funktionieren."

    An diesem Satz kann man m.E. gut erkennen, dass auch Häring in den allgemeinen Denkstrukturen kleben bleibt.

    Kapitalismus kann MENSCHLICH und SOZIAL überhaupt nicht funktionieren. Ob mit Zins oder ohne. Der Kapitalismus ist ein Ausbeutersystem. Nichts anderes. Einige wenige profitieren, der überwiegende Teil der Gesellschaft geht vor die Hunde.
    Kurzes Beispiel aus der Finanzwelt:
    Die Sparkasse kann (konnte) das 18fache des Eigenkapitals als Kredit auskehren. Heißt, jemand zahlt auf sein Sparbuch 1000 Euro ein, dann kann das Kreditinstitut 18.000 Euro an Kredit auskehren. Woher kommen die 17.000 Euro?? Geld wird aus dem Nichts, also aus Kredit geschaffen. So ein ökonomisches System nennt man Schneeballsystem. In einem solchen lebt der Großteil der Menschheit. Und hier in der BRD glaubt die Mehrheit der Bewohner, bauen mit Bausparkasse oder anderen Krediten bedeutet Freiheit. Einen Scheiß bedeutet das.
    Entweder der Kapitalismus wird durch Revolutionen hinweggefegt, – mit oder ohne Zins – oder die Menschheit wird weiterhin damit leben müssen auf die ein oder andere Weise ausgebeutet zu werden.
    Die Zinsdebatte lenkt von den wahren Zuständen ab.

    • passant sagt:

      …und auf diese virtuellen 17.000 €, die aus dem Nichts geschaffen wurden (Buchungsvorgänge auf einem Konto) werden Zins und Zinseszins erhoben.

      Kommt es jetzt zu Tilgungs- oder Kreditausfällen, dann werden die zur Sicherheit hinterlegten Sachwerte in ganz reales Vermögen umgewandelt. So wird Kapitalmacht umgewandelt in reale Sachwerte und anschließend in politische Macht um dafür zu sorgen, dass dieser für die Kapitalfraktion sich selbst verstärkende Kreislauf nicht unterbrochen wird.

    • Dziersynski sagt:

      @ passant:
      Ihrem Kommentar gibt es von meiner Seite fast nichts hinzuzufügen.
      Nur ganz kurz diese Bemerkung:
      Gesetzt der Fall, die Bürger Deutschlands würden beschließen, das Geld,das auf den Konten schlummert, bar abzuheben, würde wohl bei einigen – bei allen? – dazu führen, endlich zu begreifen, was für ein verbrecherisches System sie unterstützen. Warum?
      Die Kreditinstitute würden spätestens nach 30 Minuten die Pforten schließen, denn das Geld, das auf Konten liegt (Buchgeld) ist gar nicht vorhanden. Sie können das Geld nicht auszahlen, und genau davor haben die Kapitalisten eine wahnsinnige Angst. Wenn der "normale" Bürger begreifen würde, was die Finanzwelt im Kapitalismus bedeutet, wir hätten morgen eine Revolution. Genau aus diesem Grund wird betrogen, gelogen und Politik für das Kapital gemacht.

  9. _Box sagt:

    Anbei der Hinweis auf Herrn Härings letztes Buch. Mit passendem Auszug:

    Für einen Staat, der den Kapitalismus hinter sich lassen möchte, wäre eine Situation, in der das Kapital im Durchschnitt keinen Zins mehr erwartet, eine blendende Gelegenheit. (Wie das gehen könnte, wollen wir im vierten Teil dieses Buches betrachten.) Aber das entspricht nicht der Absicht der herrschenden Politiker und Parteien und schon gar nicht jener der mächtigen Kapitalbesitzer. Doch sie stehen vor einem Dilemma: Auf Fremdkapital gibt es keine Zinsen mehr, und auch auf Eigenkapital können die Unternehmen im Durchschnitt keine Gewinne ausschütten, wenn die Wirtschaft nur noch mit dauerhaften Nullzinsen halbwegs am Laufen gehalten werden kann.

    Was im Durchschnitt gilt, muss allerdings nicht für alle gelten und schon gar nicht für die größten Konzerne. Und tatsächlich: Trotz der schon lange anhaltenden extremen Niedrigzinsphase erwirtschaften die Konzerne weiterhin gute Gewinne und schütten hohe Dividenden aus. Das liegt zum Teil daran, dass viele Konzerne derzeit noch aufgrund des Rückgangs der Zinsen hohe Bewertungsgewinne verzeichnen, weil ihre Immobilien, Unternehmensbeteiligungen und andere Vermögenswerte im Wert gestiegen sind. Dieser Vorteil läuft aber aus, wenn die Zinssenkungen nicht weitergehen.

    Dann bleibt nur noch die Möglichkeit der Umverteilung. Das Kapital frisst im unbedingten Streben nach Gewinn zunehmend seinesgleichen und nährt sich von der Basis, die ihn trägt.
    (…)
    Rette sich, wer kann

    Eine bewährte Methode, sein Vermögen zu sichern, wenn man einen Zusammenbruch des Finanzsystems befürchtet, ist die Verlagerung in Sachwerte. So erklärt sich vielleicht die Meldung des Magazins Forbes, wonach Bill Gates, einer der reichsten Menschen der Welt, mit einem Besitz von mindestens knapp 100.000 Hektar Fläche in 18 Bundesstaaten zum größten privaten Eigentümer von Farmland in den USA geworden ist. Wenn alles zusammenbrechen sollte, wäre Gates immer noch einer der mächtigsten Menschen in den USA, jedenfalls solange er nicht enteignet wird. Dazu passen auch Anteile an der Firma Ecolab, die in der Wasserreinigung und -aufbereitung führend ist, dem Gebrauchtwagenhändler Vroom und der kanadischen Eisenbahn, alles Unternehmen des elementaren Bedarfs.

    Andere Milliardäre tun es Gates gleich. Der größte Besitzer von Weideland und Wald (eine andere Kategorie als Farmland) ist der Vorsitzende von Liberty Media, John Malone, mit knapp 900.000 Hektar. Ted Turner liegt mit 800.000 Hektar auf Rang drei und auch Amazon-Chef Jeff Bezos nennt 170.000 Hektar sein Eigen und gehört damit zu den 25 größten privaten Besitzern von Weideland und Wald.vi Während sie uns einreden, unser ganzes Leben könnte und sollte digitalisiert werden, orientieren sich die Silicon-Valley-Granden in Richtung des Urwüchsigsten, am wenigsten Digitalen, das es gibt.

    Vom Kapitalismus zum Neo-Feudalismus

    Die soziale Mega-Maschine des Kapitalismus ist in schlechtem Zustand. Der Zusammenbruch ist absehbar, wenn nichts Radikales geschieht. Die Aufgabe, die sich die globale Machtelite mit Schwerpunkt im Silicon Valley gestellt hat, besteht im allmählichen Übergang von der Mega-Maschine Kapitalismus zu einer „Schönen neuen Welt“, in der ihre Macht und Privilegien bewahrt und festgeschrieben sind.

    Radikale Veränderung ist eine Herausforderung für Sozialarchitekten, weil sie mit Bewegung verbunden ist. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Es ist leicht, eine ruhige Rinderherde in Zaum zu halten, dazu genügt ein dünner Stromdraht oder eine Aufsichtsperson. Wenn ein Rind auszuscheren droht, wird es mit dem Anblick eines Stocks oder einem leichten Stromschlag ohne Aufruhr zur Vernunft gebracht. Will man aber eine Herde von A nach B treiben, dann haben auch mehrere Menschen alle Hände voll zu tun. Denn ständig gibt es Turbulenzen, die man schnell korrigieren muss. Sobald man drastisch eingreift, besteht die Gefahr, dass die Herde losrennt, und dann ist erst einmal kein Halten mehr. Auf unsere Mega-Maschine übertragen bedeutet das: Die Maschine muss für die Umrüstung gedrosselt werden; die unzähligen kleinen und kleinsten Einzelteile müssen mit engeren Spielräumen auf ihre neuen Aufgaben hin kalibriert werden. Und so werden die Führungsschienen, mit denen die Bestandteile der sozialen Maschine in ihre neue Position gebracht werden, immer enger gestellt, die Halteseile unmerklich immer fester gezogen.

    Da die Besitzstandswahrung für die megareichen Kapitalbesitzer damit einhergeht, dass für die kleinen Teilnehmer des Systems, die Gammas, Deltas und Epsilons der Schönen neuen Welt, nicht mehr viel übrigbleibt, das sie materiell zufriedenstellen könnte, funktioniert das liberale Modell nicht mehr. Propaganda, Kontrolle und Repression müssen dafür sorgen, dass alle in der Spur bleiben. Die Schöne neue Welt nach dem Kapitalismus ist eine Art neuer Feudalismus.

    Aus:
    Kapitalismus ohne Zinsen – Leseprobe aus „Endspiel des Kapitalismus“
    19. 10. 2021
    https://norberthaering.de/buchtipps/kapitalismus-ohne-zinsen/

  10. Untendurch sagt:

    Danke für das Getreideargument!

    Die Zinskritik scheint mir aber schon ein Denkfehler, denn auf der Geldebene ist doch alles ganz einfach?

    Damit ein kapitalistisches Wirtschaftssystem floriert, müssen seine Unternehmen insgesamt gesehen mehr Geld einnehmen als ausgeben. D.h. sie müssen mehr verkaufen als sie und ihre Lohnabhängigen kaufen. Anders würden die Unternehmen insgesamt gesehen keinen Gewinn machen, sondern günstigstenfalls zu Selbstkosten produzieren. Bevor im Kapitalismus zu Selbstkosten produziert wird, geht man doch lieber ins Finanzkasino!

    Dem Problem der Lücke zwischen Verkäufen und Käufen im System lässt sich auf zwei Weisen begegnen: (a) Käufe durch außerhalb des Wirtschaftssystems Stehende; (b) zusätzliche Kaufkraft schaffende Kredite.

    (a) bedeutet letztlich, außerhalb des Wirtschaftssystems Stehende durch mehr Käufe als Verkäufe in die Pleite zu treiben, denn bei ausgewogenen Käufen und Verkäufen der Außenstehenden würde die Lücke zwischen Verkäufen und Käufen im System nicht geschlossen, sondern bloß eine Runde der Warenumwandlung gedreht.

    (b) bedeutet, Kredite auf Basis von "Geld aus dem Nichts" zu vergeben. Dies bringt eine Umverteilung der Käufe zu Gunsten der Kreditnehmenden, die alle Kaufenden zusammen mit Geldwertverlust bezahlen. Aber die Lücke zwischen Verkäufen und Käufen wird nicht geschlossen. Durch mehr und mehr "Geld aus dem Nichts" lässt sich das eine Weile verdecken, wird aber irgendwann durch platzende Kredite/Inflation/Verarmung auffliegen.

    Erfolgt die Kreditvergabe aus Ersparnissen, passiert Folgendes: Zunächst Vergrößerung der Lücke zwischen Verkäufen und Käufen, weil Ersparnisse Nichtkäufe bedeuten; dann Wiederverkleinerung der Lücke zwischen Verkäufen und Käufen, weil Kredite Käufe ermöglichen. Es ändert sich also günstigstenfalls nichts — außer dass letztlich nichtbedienbare Zinsforderungen entstehen.

    Nun das Allheilmittel: Wachstum. Indem einige Unternehmen mehr kaufen als verkaufen, wird die Lücke zwischen Verkäufen und Käufen im System geschlossen. Insgesamt gesehen produzieren die Unternehmen damit zum Selbstkostenpreis. Nach und nach sammeln sich Unternehmen an, die mehr gekauft als verkauft haben und nun darauf warten, endlich mehr verkaufen zu können als sie kaufen. Sobald sich genügend Unternehmen mit dieser Erwartung angesammelt haben, wächst die Lücke zwischen Verkäufen und Käufen.

  11. speedcat sagt:

    Ich würde gerne mal Norbert Häring und Jens Berger zu dem Thema sprechen sehen. Im Gegensatz zum üblichen Polittheater traue ich den beiden ein Gespräch zu.

  12. Norbert sagt:

    Danke, Norbert Häring, so gut und detailiert wie Sie Herrn Jens Berger widerlegen, Hut ab! In der Mahnwachenbewegung, der ich seit 2014 angehöre, habe ich mich 2 Jahre lang mit dem Geldsystem beschäftigt, bevor ich die letzen zwei Jahre die Moderation innehatte. Sie schreiben richtig, dass Jens Berger aus dem bestehenden System heraus argumentiert. Das war schlüssig – ist aber nicht zukunftstauglich. Der Vergleich mit Genossenschft – wie Sie es getan haben – MUSS gezogen werden! Wer das nicht tut, Entschuldigung, bleibt auf Tagesschau-Niveau.
    Ich lese z.Zt. Peter Haisenko: "Die humane Marktwirtschaft". Ohne "Great Reset" wird es nicht gehen – aber Zirkelschlüsse, wie bei Jens Berger (Zins und Zinseszins mit Inflation begründen!!!!) ist unterste Schublade. Demokratie heißt doch: Diskussion? Danke dafür.

  13. vizero 13 sagt:

    Danke Herr Häring für diese sehr gute Erwiderung des Beitrags von Jens Berger auf den Nachdenkseiten. Hätte ich nicht so gut und fiundiert machen können, auch wenn mir die hier angeführten Schwachpunkte durchaus bewusst sind.
    Ergänzen könnte man hier noch, dass diejenigen mit dem größten Ausfallrisiken sowieso keine Kredite bekommen und 1. die weniger riskanten Kredite meist versichert sind und 2. die großen Banken inzwischen als "too big to fail" sowieso von jeglichem größeren Kreditausfallrisiko befreit sind.

    • Norbert sagt:

      Sehr richig! Keine Bank, überhaupt keine Bank, nein gar keine Bank, gibt einen Hypothekenkredit, wenn sie ein Risiko eingehen würde. Das Risiko (egal bei welchem Zinssatz) ist nicht vorhanden, überhaupt nicht! Auf 100.000.– Baukosten MUSS jeder Häuslebauer mindestens 150.000,– zahlen! Die Finanzierungskosten sind (noch mal) min. 50%!
      Weiß das Herr Berger nicht?

  14. KIDULT sagt:

    Danke!

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