Eine Empfehlung nach Brecht
Von Wolfgang Bittner.
Zurzeit wird wegen des mangelnden Datenschutzes bei Facebook und des Missbrauchs persönlicher Daten bei Microsoft unter Nutzern diskutiert, ob es sinnvoll ist, sich weiter auf derartige Ausspäh-Kraken einzulassen. Obwohl ich vor etwa zwei Jahrzehnten mit dieser speziellen Frage noch nicht konfrontiert war, habe ich in meinem 2002 bei Rowohlt erschienenen Buch „Beruf: Schriftsteller – Was man wissen muss, wenn man vom Schreiben leben will“, zu dieser Thematik Bertolt Brechts „Fünf Schwierigkeiten beim Schreiben der Wahrheit“ zitiert:
Wer heute die Lüge und Unwissenheit bekämpfen und die Wahrheit schreiben will, hat zumindest fünf Schwierigkeiten zu überwinden.
Er muss den Mut haben, die Wahrheit zu schreiben, obwohl sie allenthalben unterdrückt wird;
die Klugheit, sie zu erkennen, obwohl sie allenthalben verhüllt wird;
die Kunst, sie handhabbar zu machen als eine Waffe;
das Urteil, jene auszuwählen, in deren Händen sie wirksam wird;
die List, sie unter diesen zu verbreiten.
Diejenigen, die heute die Bevölkerung in die Irre führen, um daraus – wie auch immer – ihren Vorteil zu ziehen, haben Brechts Anleitung zum Schreiben der Wahrheit offenbar zur Kenntnis genommen, bedacht und ins Gegenteil verkehrt:
Wer heute die Lüge und Unwissenheit verbreiten will, hat zumindest fünf Schwierigkeiten zu bedenken.
Er muss sich die Möglichkeit schaffen, die Unwahrheit zu schreiben, obwohl sie hier und da erkannt wird;
er muss die Schamlosigkeit besitzen, die Wahrheit zu verschleiern;
die Dreistigkeit, die Lüge als Waffen handhabbar zu machen;
die Urteilsfähigkeit, jene auszuwählen, in deren Händen die Unwahrheit zur Wirkung gebracht werden kann;
die List, jene so zu indoktrinieren oder zu korrumpieren, dass sie überzeugend wirken.
Was schlussfolgern wir daraus?
Die alternativen Medien, die sich gegen Lüge und Unwissenheit wenden, sollten die Empfehlungen Brechts beherzigen, die vorhandenen Möglichkeiten der Kommunikation nutzen und zugleich neue Netzwerke schaffen. Eine andere Frage ist, ob sich die einzelnen Nutzer auf Facebook & Co. einlassen wollen und wie sie gegebenenfalls damit umgehen.
Wir wissen, dass die Geheimdienste das Internet überwachen, dass unsere Daten bei Google abgeschöpft werden, und dass Wikipedia nicht durchgängig zuverlässig ist, weil manche Beiträge ideologisch beeinflusst und irreführend sind. Dennoch kann es sinnvoll sein – und für viele führt kein Weg mehr daran vorbei –, das umfangreiche Recherche- und Informationsangebot wie überhaupt die Internet-Kommunikation zu nutzen, wenn auch mit der nötigen Distanz.
Der Schriftsteller und Publizist Dr. jur. Wolfgang Bittner lebt in Göttingen. 2017 erschien von ihm im Westend Verlag in Frankfurt am Main das Buch „Die Eroberung Europas durch die USA – eine Strategie der Destabilisierung, Eskalation und Militarisierung.
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